„Wir müssen Problemwölfe entnehmen“

Schweizer Experte spricht über die Zukunft von Menschen und Raubtieren in unserem Lebensraum.
Schwarzach Hannes Jenny, Wildbiologe im Schweizer Kanton Graubünden, hält heute um 19 Uhr in der inatura Dornbirn einen Vortrag zum Thema „Rückkehr der Großraubtiere in den Alpenraum“. In seiner Heimat hat Jenny viel Erfahrung mit Wölfen gesammelt.
Wie ist die aktuelle Situation mit dem Wolfsrudel im Calanda-Gebiet in Graubünden?
Jenny Die Situation ist derzeit relativ stabil. Es hat heuer zum sechsten Mal Junge gegeben. Insgesamt sind es jetzt bereits 38 seit 2012. Der Lebensraum der Wölfe bei uns umfasst ein Gebiet von 250 Quadratkilometer. Insgesamt leben derzeit zwölf bis 15 Wölfe dort. Das Wolfsmanagement braucht sehr viel Engagement von allen Beteiligten. Wir verzeichneten heuer überdurchschnittlich viele Schafsrisse – an die 70. Allerdings gehen viele auf ein Problemtier zurück, das im Frühling aktiv war und jetzt nicht mehr da ist. Wir bräuchten beim Wolfsmanagement vom Gesetzgeber mehr Rechte und Freiheiten.
Wie meinen Sie das? Dass man Wölfe auch schießen darf?
Jenny Ja. Man muss Problemtiere entnehmen können – wenn das notwendig und unvermeidlich ist. Wir brauchen generell bessere Voraussetzungen für ein erfolgreiches Wolfsmanagement. Dazu gehört die Möglichkeit, bei Bedarf wirklich schnell und flexibel zu reagieren
Wie viele Begegnungen zwischen Mensch und Wolf kommen bei euch vor?
Jenny Es komt zu regelmäßigen Beobachtungen von Wölfen. Gefährliche Begegnungen sind das nicht. Nur der N 75, der Problemwolf von heuer, machte Schwierigkeiten. Der sprang über Elektrozäune und drang in einen Schafstall ein. Dort riss er allein 35 der heuer 70 gerissenen Schafe.
Ist es in ihrem Kanton noch nie zu brenzligen Situationen mit Wölfen gekommen?
Jenny Vor vier Jahren, ja. Da ließen sich einige Tiere nicht gleich verscheuchen, kamen Wohnhäusern immer näher. Aber das ist jetzt nicht mehr so.
Wie betreiben Sie Wolfsmanagement?
Jenny An erster Stelle steht die Aufklärung. Die verschiedenen Landschaftsnutzer müssen an einen Tisch, und dann muss eine Strategie ausgearbeitet werden, die letztlich auch umgesetzt wird. Es braucht Informationen. Es braucht vor allem viel Nüchternheit und keine Emotionen. Ich trau‘ mich jedoch nicht zu sagen, ob wir langfristig mit unserem Wolfsmanagement Erfolg haben werden. Das wird die Zukunft weisen.
Ist es reiner Zufall, wenn sich irgendwo ein Wolfsrudel bildet?
Jenny Es sind dazu bestimmte Voraussetzungen notwendig. Wölfe brauchen ein Gebiet, wo sie Ruhe finden. Weg vom Menschen. Es sollten dort auch Höhlen vorhanden sein. Und natürlich auch ein entsprechendes Angebot an Naturnahrung. Das hält den Wolf auch eher von menschlichen Siedlungen fern.
Wissen Sie, wohin Ihre Jungwölfe Jahr für Jahr auswandern?
Jenny Ja. Wir wissen, dass diese schon in den Raum Stuttgart vorgedrungen sind, in die Westschweiz, ins Tessin, nach Italien.
Und nach Vorarlberg?
Jenny Darüber haben wir keine Rückmeldungen erhalten.
Auch wir hatten schon Wölfe aus dem Calanda-Gebiet. Was würden Sie den Vorarlbergern im Umgang mit den Wölfen raten?
Jenny Ich will keine Ratschläge geben. Das müssen die Leute vor Ort selbst entscheiden. Ich weiß nur: Man muss sich beim Raubtiermanagement Ziele setzen, sich Spielregeln verpassen, die man dann auch umsetzen sollte. VN-HK
„Ich trau’ mich nicht zu sagen, ob das Wolfsmanagement erfolgreich sein wird.“
