Das zweite Gesicht des Peter K.

Der Postkartenräuber: Kriminalmythos, Schelm und im Brotberuf einst Lebensretter.
Schwarzach, Wald am Arlberg Seit dem Anruf eines Polizisten vor nur wenigen Wochen spricht Fassungslosigkeit aus dem Gesicht von Werner Kuhn (60). Der ehemalige Einsatzleiter der Pistenrettung Zürs aus Wald am Arlberg erinnert sich: „Der Polizeibeamte sagte mir, dass ich ein guter Ausbildner sei. Denn ich hätte einen guten Bankräuber ausgebildet …“
Gemeint war damit der 54-jährige Tiroler Peter K., der derzeit wegen des Verdachts, seit dem Jahr 2008 insgesamt dreizehn Raubüberfälle auf Geldinstitute begangen zu haben, in der Justizanstalt Kempten in U-Haft sitzt, elf davon allein in Vorarlberg. Sein geläufiger Spitzname: Postkartenräuber, denn er hatte sich dereinst erdreistet, seine nächsten Coups mit schriftlichen Grüßen auf dem Postweg direkt an die Polizei anzukündigen.
„Ich fiel aus allen Wolken“
Vor seinem Überfall auf die Filiale der Raiffeisenbank im bayerischen Heimenkirch am 4. September dieses Jahres war er nie erwischt worden. Der Postkartenräuber entwickelte sich zu einem Kriminalmythos, der für die Fahnder zum Rätsel wurde. Ein noch größeres Rätsel ist er aber für jene, die ihn am besten kennen. So zum Beispiel für Werner Kuhn, der 20 Jahre lang als Einsatzleiter der Zürser Pistenrettung Vorgesetzter von Peter K. war. „Ich fiel aus allen Wolken, als ich das hörte. Peter war ein Spitzenmann. Zu 150 Prozent verlässlich. Immer pünktlich, ständig einsatzbereit und nie etwa alkoholisiert oder sonst was.“
Kuhn hatte den Tiroler Anfang der 90er-Jahre über eine Anzeige in den VN eingestellt. „Ich suchte gute Leute für die Pistenrettung. Ich setzte den Standard dabei sehr hoch“, so der damalige Einsatzleiter. Denn eine Fünf-Stern-Region brauche schließlich auch eine Fünf-Stern-Pistenrettung. „Ich nahm nur Tiroler, weil sie die besseren Bergler sind. Peter war ein super Bergler. Ich nahm ihn mit auf den Gletscher und bildete ihn aus. 20 Jahre lang habe ich mit ihm zusammengearbeitet“, sagt der 60-jährige nunmehrige Pensionist. „Bei jährlich 150 bis 200 Einsätzen bei der Pistenrettung kann man sich vorstellen und ausrechnen, wie viele Leben er gerettet hat, etwa nach Lawinenunglücken“, gibt Kuhn zu bedenken.
Peter K. hätte als Pistenretter viele Personen „geholt“, sagt Kuhn, unter ihnen gekrönte und ungekrönte Häupter. „Peter hatte auch schon Caroline von Monaco auf seinem Skidoo“, erinnert sich sein Ex-Chef. Ein populärer Weltmeister im Skisport zählte oder zähle noch zu den engsten Freunden des derzeitigen U-Häftlings. Vor allem ein Ereignis mit Peter K. prägte sich dabei ganz besonders in Kuhns Erinnerung. Mitte Februar 1997 bewahrten sie einen verschütteten Deutschen, der im extremen Gelände des Seekopfgebiets fast sechs Stunden unter einer Lawine begraben war, unter schwersten, sprich lebensgefährlichen Bedingungen vor dem Tod. „Wir waren damals nur zu zweit. Ich und Peter. Ohne ihn hätte ich es nie geschafft.“ Der Mann sei ein cooler Augen-zu-und-durch-Typ gewesen. Peter K. war nie verheiratet. „Er hatte einfach keine Ambitionen für eine Ehe“, so Kuhn, „sondern nur für Beziehungen. Einmal mit dieser Frau, einmal mit jener. Unter ihnen war übrigens auch eine deutsche Richterin.“
„Keine Geldprobleme“
Nachdem er von einem beherzten Kunden in Heimenkirch überwältigt worden war, gab der mutmaßliche Postkartenräuber Geldnot als Motiv an. Für Kuhn ist das unverständlich. „Peter hat als Pistenretter gut verdient und im Sommer arbeitete er als Werkzeugmacher bei einer großen Vorarlberger Firma. Ich kann mich nicht erinnern, dass er jemals in Geldschwierigkeiten war. Auch gab es niemals eine Pfändung. Er lebte gut, fuhr ein Auto, war ständig fein angezogen und ließ sich nie lumpen.“
„Der Schelm“
Ja, etwas schwierig sei er schon gewesen, erinnert sich der Ex-Chef. „Diskutieren musste man mit ihm nicht. Er war ein Sensibelchen. Was heißen soll, er war unheimlich sensibel.“ Als die Pistenrettung Zürs mit jener von Lech fusionierte, habe es zu „faulen“ begonnen. Konkurrenzdenken sei plötzlich aufgekeimt.
Kuhn: „Wegen der andauernden Streitigkeiten verließ Peter die Pistenrettung schließlich. Ich traf ihn dann noch hin und wieder, unter anderem im Café einer Tankstelle. Er sagte, es gehe ihm gut und er arbeite weiter als Werkzeugmacher. Das mit den Räubereien hätte ich ihm nie zugetraut. Auch die anderen Kollegen nicht. Aber dass er dann auch noch Postkarten an die Polizei schrieb, könnte zu ihm passen. Er war ein Schelm. Er war oft zu schnell mit dem Auto unterwegs, wenn es mit den Einsätzen drängte, und er lachte jedes Mal, wenn er erzählte, dass er der Polizei wieder durch die Lappen gegangen sei.“
„Peter hatte auch schon Caroline von Monaco auf seinem Skidoo.“
