Bashir malt gegen die Angst

Flüchtling aus Irak träumt von einem Papier, auf dem steht, dass er bleiben darf.
SCHWARZACH Der Bescheid ist negativ. Laut dem BFA (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) soll Bashir Turki in sein Herkunftsland Irak abgeschoben werden. Dort hat man gedroht, ihn umzubringen. Wie seinen Vater, seinen Bruder und dessen Ehefrau, wie mehrere Onkel, wie viele Freunde. Weil Bashir nicht sterben wollte, ist er geflüchtet.
Der 40-jährige Techniker stammt aus Baiji, eine Ölindustriestadt im Nordirak, der bis vor Kurzem von der Terrormiliz IS (Islamischer Staat) beherrscht wurde. Die islamistische Organisation hatte 2014 große Teile des Irak (und Syriens) erobert und dort ein Kalifat ausgerufen. Mittlerweile wurde der IS zurückgedrängt, doch der Krieg ist im Irak wohl noch lange nicht beendet. Denn seit der völkerrechtswidrigen Militärinvasion der USA und deren Verbündeten im März 2003 und dem Sturz von Staatspräsident Saddam Hussein herrscht in dem Land Chaos. Tausende Terroranschläge, Gewaltkriminalität sowie Kämpfe innerhalb irakischer Gruppen haben das Land in einen dauerhaften bürgerkriegsähnlichen Zustand versetzt. Allein 2016 und in diesem Jahr sind bei 20 schweren Anschlägen rund 1000 Menschen ums Leben gekommen.
Bashir war nicht nur mit Kriegswirren konfrontiert, sondern auch mit Anfeindungen und Morddrohungen von Seiten Einheimischer. Grund: Er geriet als Sunnit zwischen die Fronten.
Vor der US-geführten Invasion dominierten die Sunniten die irakische Armee und Polizei – und das, obwohl sie stets in der Minderheit gegenüber den Schiiten waren, die rund 60 Prozent der irakischen Bevölkerung stellen. Heute ist es umgekehrt. Die Schiiten kontrollieren die Sicherheitsorgane. Und nachdem dem IS großteils sunnitische Araber angehören, werden Iraks Sunniten generalverdächtigt, der Dschihadistenmiliz anzugehören oder wenigstens mit ihr zu sympathisieren. So greifen schiitische Milizen immer wieder Sunniten an, nehmen sie gefangen, foltern und töten sie.
„Ich bin gegen den IS und ich bin kein Islamist, sondern ein ganz normaler Muslim“, erklärt Bashir mit ruhiger Stimme. In jenes Land, für das beim österreichischen Außenministerium die höchste Reisewarnstufe 6 gilt, soll Bashir Turki zurückverbracht werden. Dabei hatte er keine andere Wahl als die Flucht.
„Iraker will man hier nicht“
Sein Ziel war eigentlich Belgien. Dort leben bereits Angehörige. Aber er schaffte es nicht bis dorthin. Der Fluchtweg über die Balkanroute führte ihn in die Türkei, nach Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn, bis er in Österreich landete, registriert wurde und aufgrund des Dublin-Abkommens nicht mehr weiter durfte. Hier wurde er als Asylwerber in einem Anhaltezentrum untergebracht. Dann kam er mithilfe der Caritas nach Vorarlberg und wohnt seitdem in Caritas-Unterkünften. Zuerst in Wolfurt, dann in Bregenz, jetzt in Feldkirch.
Warum sein Asylantrag abgelehnt wurde, kann Bashir nicht verstehen. Er meint, es liegt an seiner Herkunft: „Iraker will man hier nicht.“ Nachdem er Einspruch gegen den Bescheid erhoben hat, wird er demnächst noch einmal von der Asylbehörde vernommen. Bashir hat Angst, dass auch der zweite Bescheid negativ ausfallen wird. Diese Angst und auch die bedrückende Lage, nicht arbeiten zu dürfen und somit abhängig vom Staat zu sein, zermürben den Mann. Zwei Jahre und sechs Monate ist er nun hier, „und ich konnte nichts tun, außer auf den nächsten Bescheid warten“, sagt Bashir.
Dann begann er zu malen. Nachdem er 15 Jahre lang kein einziges Bild geschaffen hatte, entstehen jetzt wieder auf Leinwänden Tiere, Menschen, Naturlandschaften, auch Abstraktes, das Gedanken und Gefühle widerspiegelt. „Das Malen hilft mir, gegen die Angst anzukommen“, sagt er.
In Würde leben
Seine bisher gemalten Werke hat er verschenkt – an jene Menschen, für die Bashir tiefe Dankbarkeit empfindet. Zu ihnen zählen Renate, Nora, Annelies, Andrea – Vorarlbergerinnen, die Bashir und anderen geflüchteten Menschen helfen, hier anzukommen und in Würde zu leben. „Ich will nichts einfach nur bekommen, ohne etwas zu geben“, stellt Bashir klar. Für seine neuen Bilder, die jetzt entstehen, sucht er eine Ausstellungsmöglichkeit.
Belgien ist längst nicht mehr sein Ziel. Bashir, der weder verheiratet ist noch Kinder hat, möchte in Vorarlberg bleiben und sich hier ein Leben aufbauen. Er möchte arbeiten, Steuern zahlen, seine Deutschkenntnisse perfektionieren. „Ich mag dieses Land und die Menschen und das Gefühl von Frieden“, sagt er. „Hier gibt es keinen Krieg, keine Bomben. Ich träume von einem Papier, auf dem steht, dass ich bleiben darf.“