Vom Marillendieb, der keiner war

34-jähriger Osteuropäer wollte nicht stehlen, sondern nur mit der Polizei reden.
Feldkirch Wer stiehlt eine Steige Marillen? Noch dazu so auffällig, dass der Verkäufer dies sofort bemerkt. Nach 200 Metern grinste der vermeintliche Dieb den Händler an, stellte das Obst zufrieden auf den Boden und ging seines Weges. Es dauerte nicht lange, da tauchte erwartungsgemäß ein uniformierter Beamter auf, stellte den 34-jährigen Osteuropäer zur Rede und wollte dessen Ausweis sehen. „Zeigen Sie mir erst Ihren Ausweis, sonst zeige ich meinen auch nicht“, stellte sich der Angehaltene quer. Die Diskussion nahm kein Ende, es kam zu einem Gerangel. Beamter und vermeintlicher Marillendieb fielen hin und rollten eine Böschung hinunter, der Polizist erlitt eine Brustkorbprellung: „Lassen Sie mich los! Wir werden doch hier nicht den ganzen Tag am Boden herumliegen“, suchte der 34-Jährige wieder das Gespräch.
„Einen Jüngeren hätte ich geschlagen, aber der Polizist war ein älterer Herr mit grauem Haar, das tut man nicht. Ich blieb – wie sagt man beim Fußball? – in der Defensive“, so der Osteuropäer als Angeklagter am Landesgericht Feldkirch. Da Richter Martin Mitteregger das Verhalten des Angeklagten seltsam vorkommt, wird Gerichtspsychiater Reinhard Haller hinzugezogen.
Der äußerst eloquente Beschuldigte ist zu dieser Konfrontation bereit. „Ja – warum nicht? Vielleicht bin ich ja ein bisschen verrückt“, glaubt auch er, dass etwas mit ihm nicht so ganz stimmt.
Vermutung bestätigt
Haller bestätigt: Der Mann leidet zeitweise unter einer psychotischen Erkrankung, eine paranoide Persönlichkeitsstörung wird diagnostiziert.
Doch damit war er nicht immer aus und draus. Im Mai 2017 wurde er wegen Tankkartenskimmings mit 395.000 Euro Schaden zu acht Monaten Haft verurteilt. Darüber hinaus wurden 16 Monate auf Bewährung ausgesprochen. Damals ging es darum, dass der Mann von 2007 bis 2008 immer wieder Pincodes ausgespäht und diese Daten für einige Hundert Euro an unbekannte Abnehmer verkauft hatte. Kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist zeigte er sich selbst an und gestand alles. Auf diese Verurteilung wurde am Donnerstag Bedacht genommen und keine zusätzliche Strafe wegen Körperverletzung und Widerstand verhängt. Nur dem Beamten muss er 300 Euro Schmerzengeld bezahlen.
In Behandlung
Derzeit wird der Mann psychiatrisch betreut und es geht ihm viel besser. In Sachen Diebstahl ergeht ein Freispruch. Es ist glaubwürdig, dass der 34-Jährige nichts stehlen wollte, sondern in seiner eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit nur mit der Polizei reden wollte. Das Urteil akzeptiert er. EC