„Zu uns kommt man dann nur noch zum Tanken“

Fischer sieht die Ikea-Ansiedlung als Impuls für den Handel.
Lustenau In der heutigen „Empörungsgesellschaft“ sei die Diskussion um eine mögliche Ansiedlung des Möbel-Riesen Ikea in Lustenau ein wohltuender Kontrast, meint Kurt Fischer zur Causa prima in Lustenau. Ikea habe man zum Symbol für das wachsende Verkehrsproblem gemacht.
Hat es Sie vor dem Hintergrund der hitzigen Diskussionen nicht schon gereut, jemals mit Ikea als möglichem Zuwanderer nach Lustenau in Berührung gekommen zu sein?
Fischer Reue ist das falsche Wort. Aber es ist eine besondere Herausforderung. Ikea war nicht in unserer mittel- bzw. langfristigen Planung. Es kam damals auf Vermittlung des Landes eine Anfrage, der wir uns gestellt haben. Wir hielten nicht Ausschau nach einem Handelsbetrieb. Ikea kam auf uns zu, weil wir die Voraussetzungen für eine mögliche Ansiedlung haben.
Warum ist die Situation in puncto Akzeptanz so anders als vor Jahren, als eine Ansiedlung von XXX Lutz eher unaufgeregt zur Kenntnis genommen worden wäre, hätte der nicht plötzlich zurückgezogen?
Fischer Ikea ist als Marke mit zusätzlicher Strahl- und Anziehungskraft in eine sich zuspitzende Verkehrssituation in der Region und in der Gemeinde geraten. Ikea ist zum Inbegriff, zum Symbol für das Verkehrsproblem geworden. Dabei übersieht man die Entwicklungen, die künftig rund um Lustenau passieren und zusätzlichen Verkehr erregen werden. Die Erweiterung
von Handelsflächen, siehe Messepark, geht in unserer boomenden Region mit steigendem Verkehr weiter. Die Kaufkraft wächst massiv und diese Kaufkraft gilt auch für die besondere Warengruppe von Ikea. Zwei Drittel des Kaufkraftverlustes in Richtung Schweiz landen bei Ikea.
Hat also Ikea Ihrer Meinung nach das, was die Lustenauer in Lustenau nicht finden?
Fischer Möbel und Heimtextilien beziehen die Lustenauer nur zu drei Prozent in der Marktgemeinde. Wir sind im Handel also bald zu einer Durchgangsgemeinde geworden, wo man bestenfalls noch Geld zum Tanken ausgibt.
Bürgerinitiative, FPÖ und Grüne marschieren gemeinsam und intensiv gegen Ikea. Was an deren Kritik können Sie nachvollziehen, was nicht?
Fischer Die Sorge, die uns alle eint, ist die Verkehrsentwicklung in Lustenau. Wo wir uns unterscheiden, ist die Bedeutung eines Verzichts auf Ikea für den Verkehr. Die Wirtschaft inklusive Handel wird sich um uns herum so weiterentwickeln, dass sich der Anteil von Ikea am wachsenden Verkehr sehr relativiert. Ein anderer wesentlicher Unterschied zwischen mir und einigen Gegnern ist, dass ich nicht Arbeitsplätze im Handel gegen Arbeitsplätze in der Industrie gegeneinander ausspiele. Jeder erfolgreiche Standort tut gut daran, wenn er auf einen guten Mix zwischen Handels- und Industrieflächen setzt. Ich verweise diesbezüglich auf das Beispiel Dornbirn.
Warum muss Lustenau im Handel überhaupt eine Rolle spielen?
Fischer Ich habe eine große Sorge. Lustenau wächst, es wird gebaut, junge Leute wohnen hier. Was uns weh tun wird: Will sich eine junge Familie mit beschränkten finanziellen Mitteln einrichten, geht sie in umliegende Möbelhäuser. Aber sie brauchen ja auch noch anderes. Und wenn sich Leute wesentliche Dinge ihres Hausstandes schon auswärts kaufen, dann wird man so sozialisiert, alles, was man braucht, auswärts zu kaufen. Das wird Bemühungen um ein attraktives Ortszentrum torpedieren. Unser Kaufkraftverlust beträgt jetzt schon 50 Prozent.
Wie nehmen Sie persönlich die Stimmung zwischen Ikea-Gegnern und Ikea-Befürwortern in der Gemeinde wahr?
Fischer Die Diskussion wird sportlich und unaufgeregt ausgetragen. Dafür bist du in der heutigen Empörungsgesellschaft als Bürgermeister dankbar. Über die Stimmung pro oder kontra traue ich mich keine Aussage zu treffen. Die Gegner haben aber sicher einen Mobilisierungsvorteil.
Themenwechsel zum Großthema Verkehr. Eine Trassenentscheidung für die S 18 gibt es erst 2020. Darüber waren Sie sehr frustriert.
Fischer Ja, das stimmt, weil sich die Verkehrssituation, wie bereits erwähnt, weiter verschärfen wird und man aber dennoch nicht den Fokus auf das Projekt verlieren darf. Du brauchst einen langen Atem. Das ist nicht einfach. Was ich aber betonen will: Die Asfinag-Experten leisten gute Arbeit.