„Ich muss anfangen, Löcher zu stopfen“

Einsparungspläne gefährden die Effizienz der Vorarlberger Justiz.
Feldkirch Heinz Bildstein, Präsident des Vorarlberger Landesgerichts, stöbert in seinem Büro in der Statistik der vergangenen Jahre. Es geht um die Dauer der Verfahrensabwicklung; die liegt, was ihre Kürze betrifft, in Österreich europaweit im absoluten Spitzenfeld. Gerichtliche Strafverfahren, die beispielsweise in Italien fünf bis sechs Jahre dauern, werden von der heimischen Justiz durchschnittlich in einem Jahr oder höchstens 15 Monaten abgewickelt. Bei Bezirksgerichten währt der prozessuale Verlauf durchschnittlich sechs Monate, beim Arbeitsgericht neun. So der erfreuliche Stand bisher.
Pensionswelle nähert sich
Doch das könnte sich ändern, denn in der „Gerichteküche“ beginnt es zu brodeln. Grund sind die Einsparungspläne der neuen Regierung, die wie das berühmte Damoklesschwert über einer drohenden Mängelverwaltung der heimischen Gerichtsbarkeit hängen. Schon jetzt sind zwei der insgesamt 61 Richterplanstellen in Vorarlberg nicht besetzt. Bis 2020 steht die nächste Pensionswelle an. „Allein in den kommenden zwei Jahren gehen fünf Richter der Zivilgerichtsbarkeit in Pension“, sagt Bildstein. „Ich muss anfangen, Löcher zu stopfen.“ Was schon jetzt geschieht. So müssen Richter bereits in anderen Justizstellen einspringen und dort Verfahren übernehmen.
Karenzen
Ein weiterer Risikofaktor bezüglich der Planstellen: „In Vorarlberg haben wir eine große Anzahl von Richterinnen. Sie nehmen bereits fünfzig Prozent und mehr der Belegschaft ein“, so der Landesgerichtspräsident. Was sich in den vergangenen Jahren als deutlicher Qualitätssprung erwiesen habe, könnte wegen möglicherweise anstehender Karenzen in nächster Zukunft einen krassen Einschnitt in diese neu gewonnene Güteklasse bedeuten. Frei werdende Planstellen werden nämlich, wie es die Sparefroh-Regierung avisiert, nicht ohne Weiteres nachbesetzt. „Wenn man aber nicht lückenlos nachbesetzt, wird es zu Verzögerungen bei den Verfahren kommen.“
Bildstein sieht den Rechtsstaat zwar nicht unmittelbar gefährdet, aber dennoch: „Ich fordere ja keine weiteren Richterplanstellen in Vorarlberg, 61 genügen vollauf. Aber ich fordere, dass diese 61 Stellen auch ständig besetzt sind“, betont er. Ja, natürlich gäbe es Richteramtsanwärter, deren Ausbildung vier Jahre dauert. Doch bei diesen drohen Abgänge in die Privatwirtschaft, etwa in Rechtsanwaltskanzleien. „Die neue Regierung hat bei der Erstellung ihrer Sparpläne keinen Plan, denn sie hat dabei niemanden gefragt“, weist der Präsident auf eine offensichtliche Ignoranz hin. Das betreffe auch die Kanzleibediensteten, bei denen ebenfalls eingespart werden soll. Ebenso ist ein Aus für die teure, doch bewährte Digitalisierung der Aktenführung, den „digitalen Akt“, vorgesehen. Das ist ein junges, österreichisches Projekt, das die justizielle Arbeit wesentlich vereinfacht und bereits bei ausländischen Gerichten reges Interesse und Augenmerk gefunden habe, so Bildstein.
Glückliche Staatsanwaltschaft
Alles eitel Wonne heißt es hingegen noch bei der Vorarlberger Staatsanwaltschaft. Deren Leiter Wilfried Siegele sieht sich mit keinen Personalproblemen konfrontiert und auch keine Abgänge seien in Sicht. „Der älteste Staatsanwalt bei uns ist gerade mal 33 Jahre alt“, beruhigt er gegenüber den VN. Aber: „Die Polizei wird aufgestockt und die Anzeigen werden zunehmen“, spricht er von einer zukünftig möglich werdenden Überbelastung für die öffentlichen Ankläger.
Rücklagen für Rechtspraktikanten
Das Justizministerium macht übrigens Rücklagen in nicht genannter Höhe frei, um einen in diesem Frühjahr drohenden Aufnahmestopp von Rechtspraktikanten an den Gerichten abzuwenden, kündigte am Freitag Generalsekretär Christian Pilnacek an.
„Die neue Regierung hat bei der Erstellung ihrer Sparpläne keinen Plan.“
