„Ich würde noch einmal Jus studieren“

Höchstrichter und starke wissenschaftliche Komponente sind gut vereinbar.
WIEN „Suche keinen Streit, aber weiche ihm auch nicht aus“, lautet das Lebensmotto des gebürtigen Bregenzers Dr. Eckart Ratz (64), der als erster Vorarlberger am 1. Jänner 2012 in die Funktion des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs (OGH) in Wien berufen wurde. Zuvor war er seit 1. April 2011 dessen Vizepräsident. Der OGH ist die höchste Instanz in Zivil- und Strafsachen und hat seinen Sitz im Wiener Justizpalast. Ratz, der im Gespräch mit den VN unterstreicht, im Berufsleben sehr viel von Respekt und sehr viel von Verantwortung zu halten, ist der Sohn von Hofrat Dr. Gerold Ratz, der von 1963 bis 1973 als ÖVP-Mitglied der Landesregierung Landesstatthalter in Vorarlberg war. Eckart Ratz hat heute seinen Wohnsitz in Koblach und pendelt alle paar Wochen zwischen Wien und Vorarlberg hin und her.
Am 30. Juni dieses Jahres wird Ratz zwar als OGH-Präsident in Pension gehen, aber seine weiteren Funktionen zum großen Teil auch von Koblach aus weiterhin fortführen. Die modernen Kommunikationsmittel machen das möglich.
Er ist nämlich noch Honorarprofessor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität in Wien, hält zusammen mit Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch dort ein Dissertantenseminar für Rechtsmittelverfahren und bearbeitet den strafrechtlichen Teil des Evidenzblatts der Rechtsmittelentscheidungen in der Juristenzeitung.
„Meine Arbeit hat eine sehr starke wissenschaftliche Komponente, diese lässt sich sehr gut mit dem Amt des Höchstrichters vereinbaren“, schildert Ratz. Er schreibt viele wissenschaftliche Abhandlungen in mehreren Publikationsorganen zum Thema Strafrecht, Strafprozessrecht, Grundrechte, Gerichtsorganisation und hält auch zahlreiche Vorträge zu staatsrechtlichen Themen. Unter Juristen ist er als Mitherausgeber des großen Wiener Kommentars zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozessordnung zu einem Begriff geworden. Ratz erhofft sich vom Ende seiner OGH-Präsidentschaft „einen Zugewinn an Freiheit, auch an wissenschaftlicher Freiheit“.
Skifahren als Ausgleich
„Unglaubliche Freude“ bereitet Eckart Ratz seine zweijährige Enkelin, die ebenfalls in Koblach beheimatet ist. Sportlich betätigt sich der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder beim Skifahren und als laut Eigenangabe „miserabler Golfer“.
Als Leser bevorzugt Ratz Werke zur Erkenntnistheorie und zur juristischen sowie allgemeinen Methodenlehre und zur Geschichte.
Ratz, ein persönlicher Freund von Russ-Preis-Träger Univ.-Prof. Dr. Reinhard Haller, würde auch heute wieder Rechtswissenschaften studieren. „Was gibt es Schöneres, als mit Ordnungsprinzipien umzugehen. Die Juristerei hat unglaublich viel mit den Grundstrukturen des Lebens zu tun, und wenn man analytisch und strukturiert denken kann, kann man viele Prinzipien aufstellen, die helfen, das soziale Leben zu gestalten.“
„Offizier auf Zeit“
Menschen zu führen und Chaos zu organisieren lernte Ratz seinen Worten zufolge beim Bundesheer. Dort war er während seines Studiums in Innsbruck als Offizier auf Zeit bei den Panzerjägern eingesetzt. Am OGH gilt Ratz als Initiator des erweiterten Grundrechtsschutzes, mit dem Entscheidungen über Grundrechtsverletzungen im Strafverfahren deutlich beschleunigt wurden, weil auf den Umweg über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verzichtet wird.
Ratz war es stets ein großes Anliegen, den OGH als Hüter der Grundrechte in der Rechtsprechung zu positionieren. Der von Richtern und Staatsanwälten mitunter erhobenen Kritik der unangenehmen Kontrolle und des Formalismus tritt er entgegen. Nur formales Recht verleihe harte Rechte. Fachliche Qualifikation und Kritikfähigkeit seien Grundvoraussetzungen für eine gefestigte Richterpersönlichkeit. Wer über andere richtet, müsse auch selbst Kritik aushalten. Um die österreichischen Richterinnnen und Richter sei es dabei bestens bestellt. EE
Zur Person
Dr. Eckart Ratz
Geboren 28. Juni 1953 in Bregenz
Ausbildung Matura an der Stella Matutina in Feldkirch, Jusstudium in Innsbruck, Offizier auf Zeit, Gerichtsjahr
Laufbahn Richter am Bezirksgericht Feldkirch, Landesgericht Feldkirch, 1994 Oberlandesgericht Wien, Hofrat am OGH, Vizepräsident und Präsident des OGH
Familie verheiratet, zwei Kinder, eine Enkelin