Ohne Viehzucht keine Alpen

Bergbauern betonen, dass Vorarlbergs Landwirtschaft ohne Tiertransporte wohl nicht funktioniere.
Schwarzach Saftige Wiesen, im Hintergrund schneebedeckte Gipfel, Kinder tollen zwischen den Kühen umher, deren Glocken um den Hals den idyllischen Bildern einen passenden musikalischen Rahmen geben. Fast schon kitschig. Heimatfilmregisseure, Werbemacher und Touristiker bemühen sich, dieses Bild der Bergwelt zu transportieren. Wer regelmäßig durch Vorarlbergs Berge wandert, kann es bestätigen: Die Realität kann diesem Klischee manchmal sehr nahe kommen. Personengruppen, die für sich beanspruchen, dieses Bild zu malen, gibt es einige. Es sind Förster, Wegeerhalter, Naturschützer, Jäger und auch Vorarlbergs Milchbauern. Sie bringen im Sommer die Kühe auf die Alpen und treiben sie im Herbst wieder ins Tal.
Tiere in Drittstaaten gefragt
Damit dieses Schauspiel Jahr für Jahr stattfinden kann, brauchen die Bauern freilich Tiere. Rupert Nigsch, Chef der Vorarlberger Braunviehzüchter, ergänzt: „Wenn man Zuchtvieh hat, muss man es auch vermarkten und verkaufen. So kommt es eben zu Tiertransporten.“ Er und einige Bergbauernkollegen gehen nun in die Offensive. Sie ärgern sich über die aktuelle Diskussion über Transporte von Zuchtvieh in Drittstaaten. „Wir möchten die Tiere natürlich zunächst in Vorarlberg vermarkten. Aber der Markt ist klein und Zuchtvieh aus Vorarlberg ist in Drittstaaten sehr gefragt“, betont Nigsch.
Vorarlbergs Landwirtschaft ist auf Milchproduktion fokussiert. Damit Kühe Milch geben, müssen sie regelmäßig gebären. Die Folge: Zuchtvieh und Schlachtkälber existieren im Land weit über dem hier verkaufbaren Ausmaß. Im Dezember sorgten Berichte von Schlachtkälbertransporten nach Italien für Aufruhr, auch damals sahen sich die Milchbauern zu Unrecht beschuldigt. Sie würden zum Beispiel Kühe ständig besamen lassen, damit sie Milch geben, hieß es. German Nigsch ist Bergbauer im Großen Walsertal. Er ist überzeugt: „Die Kluft zwischen Landwirt und Konsument wird immer größer.“ Viele wüssten mittlerweile nicht mehr über die Realität auf Bauernhöfen Bescheid, dies sehe man am Beispiel der Milchkühe: „Wenn ich die Befruchtung den Stieren überlassen würde, wäre eine Kuh drei Wochen nach der Geburt wieder schwanger. Mit der Besamung wartet man länger.“ Um das Wissen zu erweitern, seien Programme wie „Schule am Bauernhof“ wichtig.
Die Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer, Andrea Scharzmann, hofft, dass durch solche Aktionen das Bewusstsein wieder steigt. „Früher gaben die Menschen 30 Prozent des Einkommens für Lebensmittel aus, heute sind es elf Prozent.“ Bilder von qualvollen Tiertransporten, wie sie immer wieder durch die Medien geistern, lassen niemanden kalt. „Tiere sind ja auch Lebewesen und Landwirte sehr am Tierwohl interessiert.“ Nicht nur emotional: Geht es der Kuh gut, gebe sie bessere und mehr Milch.
Stärkere Partnerschaft
Der Thüringer Landwirt Martin Elsensohn betont: „Auch mich haben diese Bilder bewegt. Aber man muss schon sagen: Wer die Bilder veröffentlicht, soll auch Lösungen präsentieren, nicht nur anzünden.“ Er fasst zusammen: „Ziel muss es natürlich sein, so viel wie möglich im Land zu verkaufen.“ German Nigsch nimmt die Politik in die Pflicht: „Die Partnerschaft mit öffentlichen Küchen, etwa in Krankenhäusern, und mit dem Tourismus muss stärker werden. Worthülsen helfen nicht.“ Schwarzmann entgegnet: „Man versucht es eh, zum Beispiel mit der Vorarlberger Kalbsbratwurst.“ Nachsatz: „Aber es braucht seine Zeit.“ VN-mip
„Die Kluft zwischen Landwirt und Konsument wird immer größer.“
„Früher gaben die Menschen 30 Prozent für Lebensmittel aus, heute elf Prozent.“