Von wegen „Nicht-Österreicher“

Verhängnisvoller Politbegriff: Jeder zweite Ausländer ist ein EU-Mitbürger.
SCHWARzACH Von Ausländern redet in der Politik kaum noch jemand. Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache spricht stattdessen von „Nicht-Österreichern“: Bei den Nicht-Österreichern werde „drastisch“ gespart, lässt er beispielsweise wissen. Das ist ein vielsagender, aber auch ein verhängnisvoller Begriff, wie die Politikwissenschaftlerin Sieglinde Rosenberger bestätigt, die sich an der Universität Wien mit Migrationsfragen beschäftigt.
Wenn man so will, dann ist „Nicht-Österreicher“ zunächst einmal eine Präzisierung: „Ausländer“ meint im allgemeinen Sprachgebrauch durchaus auch jemanden, der über einen rot-weiß-roten Pass verfügt. In diesem Fall ist ein sogenannter Migrationshintergrund ausreichend; dass also er selbst oder überhaupt schon seine Vorfahren vor vielen Jahren zugewandert sind. Bei „Nicht-Österreichern“ ist die Sache klarer: Hier geht es allein um die Staatsbürgerschaft; eine österreichische oder eine nicht-österreichische – und Punkt.
Überraschungen
So wird die Bevölkerung auch von der Statistik Austria aufgeschlüsselt. Wenn man sich die entsprechenden Zahlen anschaut, dann erlebt man die eine oder andere Überraschung: Vom Boden- bis zum Neusiedlersee gibt es 1,34 Millionen Nicht-Österreicher. Das entspricht einem Anteil von 15,3 Prozent. In Vorarlberg allein handelt es sich – Stand 2017 – um 65.791 Frauen, Männer und Kinder. Das ist ein überdurchschnittlich hoher Anteil von 16,9 Prozent. Ziemlich genau die Hälfte dieser Fremden sind mit 8,5 Prozent jedoch Bürger eines anderen EU- oder eines EFTA-Landes, wie der Schweiz, Norwegens oder Liechtensteins. Ein Stück weit sind das damit auch rein rechtlich gesehen gleichberechtigte Mitbürger.
Wobei Deutsche überhaupt die mit Abstand größte Gruppe der Nicht-Österreicher bilden. In Vorarlberg sind es mit 16.293 knapp 25 Prozent. Zum Vergleich: Türken bringen es mit 13.287 auf 20 Prozent und Serben als drittgrößte Community mit 3777 schon nur noch auf 5,7 Prozent.
Das politische Motiv, anstelle von Ausländern von Nicht-Österreichern zu sprechen, ist laut Rosenberger erklärbar: „Bei sozialstaatlichen Leistungen gibt es drei Säulen: Jene, die an die österreichische Staatsbürgerschaft gekoppelt sind; jene, die mit dem freien Zugang zum Arbeitsmarkt zusammenhängen, der allen EU-Bürgern zusteht; und jene, die auf menschenrechtliche Verpflichtungen, wie Asyl, zurückzuführen sind.“
Der Begriff „Nicht-Österreicher“ aus dem Mund eines Regierungsvertreters sei demnach „ein Indikator für eine stärkere Renationalisierung“, so Rosenberger: „Man geht wieder zurück vor die europäische Integration. Insofern ist das ein Rückschritt.“
Zum Ausdruck komme das auch im Versuch, die Familienbeihilfe ausschließlich bei Bürgern anderer EU-Länder an die Verhältnisse in dem Land anzupassen, in dem das Kind lebt. Was die Europäische Kommission prompt dazu bewogen hat, von einer Ungleichbehandlung zu sprechen, die EU-rechtswidrig sei, womit ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zu erwarten ist. JOH