ELGA
Die elektronische Gesundheitsakte, die in letzter Zeit wieder in Diskussion geratene ELGA, hätte durchaus das Zeug in sich, einen Qualitätsschub in unser Gesundheitswesen zu bringen. Wenn ein Arzt auf einen Blick sehen kann, wie ein Patient bisher schon untersucht und behandelt wurde oder welche Medikamente ihm von einem anderen Arzt bereits verschrieben wurden, haben alle Beteiligten Vorteile davon. Nicht notwendige Mehrfachuntersuchungen in kurzen Abständen sind nicht nur lästig, sondern auch kostspielig.
Als Patient ist man mit der Speicherung aller Krankheitsdaten dann aber auch ein offenes Buch, und daher ist die Berechtigung zur Einsicht in die Daten streng geregelt. Trotzdem gab es große Widerstände und daher wurde die Möglichkeit geschaffen, sich ausklinken zu können. Mit einer einfachen Abmeldung ist man das befürchtete Risiko los, allerdings aber auch die – nach meiner Meinung überwiegenden – Vorteile. Die schrittweise und noch lange nicht abgeschlossene Einführung von ELGA hat – wie bei solchen komplexen Vorhaben leider üblich – zahlreiche Kinderkrankheiten, die den Ärzten die Arbeit unnötig schwer machen. Davon, dass die Daten auch keineswegs lückenlos sind, kann man sich im Internet bei einer Einsicht in die eigene Gesundheitsakte leicht selbst überzeugen. Obwohl es an sich vernünftig wäre, die Datenspeicherung in Ruhe zu entwickeln und Probleme auszumerzen, sollen jetzt schon die Daten für Forschungszwecke weitergegeben werden. Natürlich wäre auch das vorteilhaft, wenn beispielsweise an unseren Universitätskliniken typische Krankheitsverläufe oder erst spät bemerkbare Nebenwirkungen von Medikamenten untersucht werden könnten. Gegen diese Eile in der Nutzung von ELGA durch Außenstehende regt sich nun enormer Widerstand, und dass auch private Forschungseinrichtungen (der Pharmaindustrie?) davon profitieren sollen, macht die Sache nicht besser. Dass angeblich gut gehütete Daten des PISA-Schultests im Internet zu lesen waren, ist noch nicht lange her und der Datenmissbrauch in den USA in ganz frischer Erinnerung, auch wenn Facebook als privater Datensammler nicht direkt vergleichbar ist. Das weckt Misstrauen, und daher ist die Gesundheitsministerin dafür zu loben, dass sie ungeachtet ihrer ursprünglichen Zustimmung nun auf die Bremse steigen will. Eine Nachdenkpause ist hier allemal besser als der Schnellschuss, eine halbfertige Baustelle zu öffnen. Eine großzügige Zulässigkeit der Datenweitergabe sollte nicht dazu führen, dass viele verunsicherte Bürgerinnen und Bürger verlangen, ihre Gesundheitsdaten nicht mehr zu speichern.
„Eine Nachdenkpause ist hier allemal besser.“
Jürgen Weiss
juergen.weiss@vn.at
Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.
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