Neun Kassen
Die von der Bundesregierung geplante Reform der Sozialversicherungen läuft an. Statt bisher 22 soll es künftig nur noch fünf Träger geben. Nach dem derzeit vorliegenden Papier der Regierung werden die neun Gebietskrankenkassen ihre Selbstständigkeit verlieren und zu einer Kasse verschmelzen. Es soll zwar Landesstellen geben, die aber kaum mehr über eine eigene Gestaltungshoheit verfügen.
Wer dieses Konzept ablehnt, wird von der Wiener Seite gerne als Besitzstandswahrer und Reformverweigerer diffamiert. Es geht jedoch um die Sache: Über die regionale Gesundheitsversorgung muss im Land entschieden werden, und zwar durch Organe, die nicht von Wien gesteuert sind. Auf diese Weise konnten in Vorarlberg schon für ganz Österreich beispielgebende Innovationen entwickelt werden.
Regionale Entscheidungshoheit bedeutet nicht Ablehnung von Reformen: In der Zusammenlegung und Koordination der Verwaltungen der Krankenkassen ist sicher einiges möglich, ohne dass ihre Autonomie gefährdet wird.
Wie eine Reform der Sozialversicherung noch möglich wäre, hat der Vorarlberger Landtag vor ungefähr eineinhalb Jahren skizziert: In einem mit 34 von 36 Stimmen angenommenen Antrag der FPÖ forderte der Landtag eine Zusammenlegung der Sozialversicherungen, wobei für jedes Land eine gemeinsame Kasse für alle Versicherten vorgeschlagen wurde: Also neun Entscheidungsträger statt 22 mit einer gemeinsamen Verwaltung. Allerdings handelte es sich bei dieser Forderung nur um einen Brief, der nach Wien geschickt und dort bisher ignoriert wurde.
Es ist schade, dass diese wahrscheinlich sinnvollste Reform des Sozialversicherungswesens nicht nur im Regierungsprogramm keine Berücksichtigung findet (offenbar konnte sich die Bundes-FPÖ ebenso wenig für das Modell ihrer Landesorganisation erwärmen wie die Bundes-ÖVP für den Vorschlag des Landtags), sondern auch in der aktuellen Diskussion kaum vorkommt. Stattdessen wird als erstes die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) ins Visier genommen, bevor als nächstes die Gebietskrankenkassen an die Reihe kommen.
Eine nachhaltige Reform besteht aber nicht darin, dass man einzelne Institutionen sturmreif schießt, sondern, dass man sich Gedanken macht, was die Versicherten benötigen und ausgehend von ihren Bedürfnissen ein Konzept erstellt. Diese Herangehensweise würde ziemlich rasch zum Vorarlberger Modell führen.
„Es soll zwar Landesstellen geben, die aber kaum mehr über eine eigene Gestaltungshoheit verfügen.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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