„Mag meine Arbeit von ganzem Herzen“

Georgeta Popescu arbeitet als Pflegerin in Vorarlberg. Früher war sie in einer Fabrik beschäftigt.
Dornbirn Georgeta Popescu wurde in einem armen Land geboren. Die heute 38-Jährige wuchs im Südwesten Rumäniens auf. Sie hätte gerne die Krankenpflegeschule besucht. „Aber meine Familie hatte zu wenig Geld für die Schule.“ Also ging die ungelernte Frau in eine Fabrik arbeiten, in der Kopfstützen produziert werden. Neun Jahre arbeitete sie dort. Im Akkord. Um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen, musste sie zwei Stunden mit dem Bus fahren. „Ich habe zehn Stunden am Tag gearbeitet. Nur sonntags hatte ich frei.“
Mit 21 heiratete sie einen Landsmann. Mit 22 wurde sie Mutter einer Tochter. Damit ging ein großer Wunsch von ihr in Erfüllung. Denn: „Ich wollte unbedingt Mama werden.“ Aber sie machte nur ein Jahr Babypause. Dann ging sie wieder in die Fabrik schuften, „weil wir das Geld brauchten“. Ihre Schwiegereltern, bei denen die junge Familie wohnte, passten auf das Kind auf. Die Tochter war gerade mal ein Jahr alt, als die Familie von einem Schicksalsschlag getroffen wurde. Ein Arbeitsunfall machte Georgetas Mann zu einem Invaliden. Der Hilfsarbeiter geriet mit der rechten Hand in eine Maschine. Seither ist er arbeitsunfähig. Seither muss Georgeta die Familie ernähren.
Doch mit der Arbeit in der Fabrik brachte sie die Familie mehr schlecht als recht durch. „Die Arbeit war anstrengend. Ich musste viele Stunden arbeiten und habe dafür wenig Geld bekommen“, nennt Georgeta die Gründe, warum sie sich nach einem neuen Job umsah. Die junge Frau wollte im Ausland arbeiten – so wie das viele ihrer Landsleute tun, um das Überleben ihrer Familie zu sichern. Sie wandte sich an eine Frau im Dorf, die für Frauen Plätze vermittelt.
„Zuerst hat er mich geschlagen“
Im Jahr 2012 trat Georgeta ihre erste Stelle als Pflegerin in Österreich an. Vorher lernte die Frau mit dem Gymnasiumsabschluss aber noch fleißig auf eigene Faust Deutsch. „Ein paar Wörter konnte ich schon, weil meine Oma Deutsche war.“ Georgeta betreute in der Steiermark einen dementen Mann. Das war eine große Herausforderung für sie. Denn: „In den ersten paar Wochen war er sehr aggressiv. Er hat mich geschlagen. Danach hat er mich aber geliebt.“ Drei Monate am Stück war sie damals von zu Hause weg, getrennt von ihrem Mann und ihrer Tochter, die zehn Jahre alt war. „Ich hatte wahnsinniges Heimweh und habe zwei Monate lang jeden Abend im Bett geweint“, erinnert sie sich. Weil sie kein Internet hatte, konnte sie nicht skypen. „Ich hatte nur übers Handy Kontakt mit meiner Familie.“ Als sie heimkam, war sie erstaunt, wie groß die Tochter geworden war.
Weil der von ihr betreute demenzkranke Mann ins Heim gekommen war, trat sie in Graz eine neue Stelle an. Dort pflegte sie einen Mann zwei Jahre lang bis zu seinem Tod. Danach betreute sie im Bregenzerwald den kranken Sohn einer Frau. Seit gut einem Jahr kümmert sie sich um das Wohl der 92-jährigen Witwe Frieda Grabher aus Dornbirn. Die Arbeit mit Menschen gefällt Georgeta viel besser als jene in der Fabrik. „Ich mag meine Arbeit von ganzem Herzen“, schwärmt sie, „man entwickelt eine Beziehung zu dem Menschen, den man pflegt und bekommt viel von ihm zurück.“
Der Job sei auch gut bezahlt. „Ich verdiene fast vier Mal mehr als in der Fabrik.“ Dafür nimmt sie in Kauf, dass sie vier Wochen am Stück von der Familie getrennt ist. „Aber dank meinem Tablet kann ich jeden Abend mit meinen Lieben skypen.“ Das Heimweh wurde mit der Zeit geringer. „Heute weine ich nicht mehr.“ Überhaupt hat sie das Gefühl, dass die Zeit bei Frieda schnell vergeht. Vielleicht liegt das daran, dass sich die beiden gut verstehen. „Wir lachen viel zusammen“, sagt Frieda. Und: „Georgeta hat nicht nur Humor, sie ist auch sehr herzlich. Das brauche ich.“ Außerdem schätzt die alte Frau, „dass Georgeta gut kochen kann und mich jeden Abend im Bett gut zudeckt.“
Zu Hause fließen Freudentränen
Die Pflegerin erledigt alle Arbeiten, die im Haushalt anfallen. Sie kocht, putzt, wäscht und heizt ein. Außerdem geht sie zwei Mal am Tag mit der betagten Frau spazieren. Zwei Stunden hat die Rumänin jeden Tag frei. Dann trifft sich Georgeta mit anderen Pflegerinnen in einem Café in der Stadt oder sie geht einkaufen. „Meine Tochter Nadja freut sich, wenn ich ihr Geschenke mitbringe.“ Aber sie gibt nicht das ganze Geld aus. Ihr ist auch wichtig, dass sie Geld anspart. Denn sie möchte ihrer Tochter die Ausbildung zur Journalistin finanzieren. In wenigen Tagen wird sie ihr Kind wieder in ihre Arme schließen können. Wenn Georgeta nach einer 14-stündigen Busfahrt zu Hause ankommt, fließen Freudentränen.