Rauchen und soziale Ungleichheit

Bei Jugendlichen ohne Pflichtschulabschluss ist der Raucheranteil extrem hoch.
SCHWARZACH Man könnte glauben, Bildung bewahre vor Tabakkonsum: 55,7 Prozent der stellungspflichtigen Männer, die über keinen positiven Pflichtschulabschluss verfügen, greifen regelmäßig zur Zigarette. Bei allen mit einem solchen Abschluss sind es österreichweit 41,8 Prozent und bei Maturanten überhaupt nur 14,8 Prozent. Die Anteile allein auf die Bildung zurückzuführen, greift jedoch zu kurz, wie Experten betonen.
Die wohl aussagekräftigsten Gesundheitsdaten kommen bei den Musterungen zusammen. Da werden nämlich alle männlichen Staatsbürger in dem Jahr untersucht, in dem sie 18 werden. Unter anderem wird dabei das Rauchverhalten erfasst. 2016 kam heraus, dass gut jeder Dritte regelmäßig raucht.
Wobei Vorarlberger mit einem Anteil von 35,9 Prozent leicht über dem Schnitt liegen und zwar auch in den einzelnen Gruppen, die nach höchstem formalem Bildungsabschluss ausgewiesen werden: Bei all jenen, die keinen positiven Pflichtschulabschluss haben, handelt es sich hierzulande um 59,3 Prozent und damit ziemlich genau um sechs von zehn jungen Männern.
Maturanten rauchen weniger
Bei allen, die zumindest die Pflichtschule erfolgreich hinter sich gebracht haben, sind es mit 44,6 Prozent schon etwas weniger. Doch bei denen, die sich im Maturajahr befinden, sind es gar nur 14,9 Prozent. Das sind vier Mal weniger als bei der erstgenannten Gruppe oder praktisch nur jeder Siebte.
„Das ist ein bekanntes Phänomen“, sagt der Vorsitzende des Instituts für Jugendforschung in Wien, Bernhard Heinzlmaier. Tatsächlich gibt es viele Studien dazu. Wobei sehr allgemein die Rede davon ist, dass der sozio-ökonomische Hintergrund entscheidend sei. Damit wird hier zum Ausdruck gebracht, in welchen Verhältnissen jemand aufwächst. Es gibt dabei in der Regel auch einen Zusammenhang zwischen Einkommen und Bildung; beides ist entweder höher oder niedriger.
„Soziale Unterschichten haben ein ausgeprägtes Risikoverhalten“, erklärt Heinzlmaier: „Sie rauchen eher, ernähren sich schlechter und konsumieren eher Alkohol.“ Analysen des Fonds Gesundes Österreich bestätigten dies ebenso wie eine Erhebung, die das Robert Koch Institut gerade für Deutschland veröffentlicht hat: „Gymnasiasten rauchen deutlich seltener als Schüler an Haupt-, Gesamt- und Realschulen“, heißt es darin.
Für soziale Unterschichten hat
es laut Heinzlmaier noch immer eine größere Bedeutung, zu rauchen: „Die Zigarette markiert hier noch stärker den Übergang vom Kind zum Erwachsenen.“ Soll
heißen: Wer in jungen Jahren raucht, will zeigen, dass er kein Kind mehr, sondern erwachsen geworden ist.
Wobei es immer schwieriger sei, diese Leute zu erreichen, wie Heinzlmaier berichtet: „In den vergangenen zehn bis 20 Jahren hat sich eine Abwehrhaltung gegen alles verstärkt, was von oben herab verordnet wird. Wenn zum Beispiel ein Lehrer, Arzt oder Pädagoge etwas sagt, wird genau das Gegenteil davon gemacht.“
Während für junge Männer aufgrund der Musterungen sehr detaillierte Daten vorliegen, ist das für Frauen nicht der Fall. Zu ihnen gibt es lediglich Ergebnisse regelmäßiger Gesundheitsbefragungen. Demnach rauchen bundesweit 27,6 Prozent der 15- bis 29-jährigen Frauen täglich. Bei den Männern dieser Altersgruppe sind es 32,2 Prozent. joh
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