Aufmüpfige Weiber führten Krumbacher Aufstand an

Vorarlberg / 07.03.2019 • 19:51 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Der Weiberaufstand von Krumbach im Juli 1807.  Pfarrarchiv Lingenau, Repro aus Vorarlberg Archiv
Der Weiberaufstand von Krumbach im Juli 1807.  Pfarrarchiv Lingenau, Repro aus Vorarlberg Archiv

Schon vor 200 Jahren rebellierten Frauen in Vorarlberg.

krumbach Von zwei Frauen angeführt, marschierten am 2. Juli 1807 Hunderte Aufständische von Krumbach Richtung Bezau. Das Landesgericht sollte gestürmt werden. Doch dazu kam es nicht. Der Aufstand löste sich auf, als die aus Krumbach, Hittisau, Lingenau und Langenegg stammenden Frauen und Männer Bezau erreichten. Dort erwartete sie nämlich kein Widerstand. Der bayrische Gerichtsbeamte, der zur Herausgabe der neuen Konskription genötigt und dann verjagt werden sollte, war schon drei Tage zuvor geflüchtet.

Wie war es damals, vor mehr als 200 Jahren, zu dem Aufstand gekommen? Was hat die beiden Frauen so aufmüpfig gemacht?

Nach der verlorenen Schlacht von Austerlitz 1805 hatte Österreich Vorarlberg und Tirol an Bayern abtreten müssen. Der Verwalter des Bayernstaates, Minister Maximilian von Montgelas, fasste alte und neue Gebiete zu einem zentralistisch regierten Einheitsstaat nach französischem Vorbild zusammen und begann, umfassende Reformen durchzuführen. Sie erneuerten Verfassung und Verwaltung, erhöhten Abgaben und Steuern, und die allgemeine Wehrpflicht sollte eingeführt werden. Sie verboten aber auch traditionelle religiöse Bräuche, zum Beispiel das Einsegnen der Felder, das Wetterläuten und alle Arten von kirchlichen Prozessionen. Das Volk fürchtete nun, dass ohne Segen die Ernten, das Vieh und die Familie nicht mehr vor Unheil geschützt sein würden. Zudem sollten aufgrund der neuen Konskription die Männer in einen Krieg geschickt werden, mit dem die Vorarlberger nichts zu tun hatten.

Im Land begann es zu rumoren. Vor allem in den Köpfen einiger Frauen in Krumbach. Eine von ihnen war Christine Heidegger, Bäuerin, Mutter zweier Söhne und 51 Jahre alt. Vom Wesen her wird sie als „herrisches, tollkühnes, aber verrücktes Weib“ dargestellt.

In einem ärztlichen Gutachten wurde sie indes als „eine von Gewalt traumatisierte Person“ beschrieben. Laut diesem Attest wurde sie um 1800 „von einem oder mehreren französischen Soldaten vergewaltigt“. Weiter heißt es: „Danach musste Christine Heidegger mehrere Wochen angebunden in ihrem Haus gehalten werden, weil sie dem Wahnsinn verfallen war.“ Das hatte ihren Charakter entsprechend geprägt. „Christine Heidegger war eine intelligente Frau, die zu einer tragischen Figur wurde. Aus heutiger Sicht würde sie als traumatisiertes Kriegsopfer bezeichnet“, schildert Ulrike Längle. Die Literaturwissenschaftlerin hat sich intensiv mit der Geschichte des Krumbacher Aufstands auseinandergesetzt. Sie hat auch die Verhörprotokolle gefunden, die während der Untersuchung des Aufstands niedergeschrieben worden waren.

Laut Überlieferung wurde der Krumbacher Aufstand von Christine Heidegger und Magdalena Schoch geplant und angeführt. Tatsächlich soll Schoch an den Vorbereitungen des Aufstands nicht beteiligt gewesen sein, auch nicht, als Heidegger zum Marsch nach Bezau aufrief. Allerdings hatten die Versammlungen in Schochs Haus stattgefunden.

Eine korpulente Frau sei Magdalena Schoch gewesen. Sie hatte fünf Töchter, vier waren beim Aufstand dabei. Einem Verhörprotokoll ist zu entnehmen, dass die älteren Töchter beim Marsch nach Bezau vorangeschritten und „sehr laut und sehr frech“ waren.

Tobsuchtsanfälle im Kerker

Für Christine Heidegger endete die Sache bitter. Sie wurde in den Kerker in Bregenz gesperrt, wo sie unter Tobsuchtsanfällen litt. Der Arzt Wunibald Rosenstiehl wurde beauftragt, ihren Gesundheits- und Geisteszustand zu begutachten. War ihr Tobsuchtsanfall echter Wahnsinn? Oder hatte sie sich bloß verstellt? Immerhin hatte sie als Anführerin eines Aufstandes Hochverrat begangen. Und darauf stand die Todesstrafe.

Rosenstiehl kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei Heidegger tatsächlich um einen Ausbruch echten Wahnsinns gehandelt hat. Und dieser war höchstwahrscheinlich eine Reaktion auf die Verhaftung und ein Wiederaufflammen des Traumas, das ihr durch die Vergewaltigung widerfahren war.

Der für Vorarlberg und Tirol zuständige bayrische Generalkommissär Karl Ernst von Gravenreuth setzte eine aus Juristen bestehende Untersuchungskommission ein, welche die Verhöre führten und die Urteile fällten. Christine Heidegger und Magdalena Schoch wurden zu je einem halben Jahr Kerker verurteilt, schließlich aber begnadigt.

„Aus heutiger Sicht würde Christine Heideg­ger als traumatisiertes Kriegsopfer bezeichnet.“

Aufmüpfige Weiber führten Krumbacher Aufstand an

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.