Keine Pflegelehre ohne Wien – Land macht Druck

Vorarlberg / 26.03.2019 • 11:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
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Nationalrat muss Gesetz beschließen, damit Pflegelehre eingeführt werden kann. Das Modell findet nicht nur Befürworter.

Schwarzach Österreichs Wirtschaft ist stolz auf die duale Ausbildung. Eine Lehre erzeugt jene Facharbeiter, die überall gesucht werden. Auch die Pflegebranche sucht nach Nachwuchskräften. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hat mit einer Studie erneut auf den drohenden Personalmangel aufmerksam gemacht. Also Zeit für die Politik, für die Pflegelehre zu werben. Mehr als ein Pilotversuch war bisher nicht möglich: Seit sieben Jahren bietet der Verein Aqua Mühle eine Betriebsdienstleistungslehre an, die in einem Pflegebetrieb absolviert wird. Anschließend ist eine einjährige Ausbildung als Pflegeassistenz möglich. Damit soll jungen Menschen der Pflegeberuf nähergebracht werden. Bei Michelle Forstner hat es geklappt.

Bund an der Reihe

Die 18-Jährige befindet sich im dritten Lehrjahr beim Projekt All_Tag. “Ich habe mich für diese Lehre entschieden, da ich gerne Kontakt zu Menschen habe und mich gerne um sie kümmere”, berichtet sie. Eine Pflegelehre, die den Namen verdient, ist das allerdings nicht, wie Aqua-Mühle-Geschäftsführer Florian Kresser erläutert. “Es ist eine kaufmännische Lehre in einem Pflegebetrieb. Jugendliche sind nicht direkt in der Pflege tätig.” Das ist laut Gesetz auch gar nicht möglich, ergänzt Gesundheitslandesrat Christian Bernhard (ÖVP). “Zuerst muss der Nationalrat aktiv werden. Dann können wir starten.”

Michelle Forstner schließt heuer das Projekt von Aqua Mühle ab, eine echte Pflegelehre gibt‘s noch nicht.
Michelle Forstner schließt heuer das Projekt von Aqua Mühle ab, eine echte Pflegelehre gibt‘s noch nicht.

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) verliert die Geduld. Im VN-Gespräch appelliert er an die Bundesregierung, sich um die Einführung der Pflegelehre zu kümmern. “Vorarlberg steht zur Verfügung. Wir können als Modellregion starten.” Unterstützung findet er bei Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Derzeit liefen bereits Gespräche auf Beamtenebene. Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) steht der Pflegelehre ebenfalls offen gegenüber: “Im Moment hätte ich aber keine Kapazitäten, sie in entsprechender Qualität umzusetzen.” Es fehlte Diplompersonal, das sich um die Ausbildung kümmern könnte. Sie möchte dem bestehenden Personal zusätzlich zur Arbeit nicht auch noch einen Lehrauftrag aufbrummen.

Nicht alle haben ihre Freude mit dem Vorschlag, Pflege zum Lehrberuf zu machen. Beate Fleisch-Halbeisen vom Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) ist überzeugt: “Die Pflegelehre ist keine Antwort auf den drohenden Personalmangel.” Schon jetzt gebe es genug Ausbildungen. “Die aktuellen Möglichkeiten sind noch gar nicht ausgeschöpft.”

Befürworter verweisen auf das Schweizer Modell. “Die Pflegelehre zählt mittlerweile zu den erfolgreichsten Lehrberufen der Schweiz”, sagt Florian Kresser. Fleisch-Halbeisen entgegnet: “Man sollte Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Die Modelle sind unterschiedlich, zudem sind mehr Mitarbeiter für die Ausbildung freigestellt.” Ausbildner würden außerdem berichten, dass 15-Jährige noch zu jung für die Pflege seien. Anders sieht es Kresser: “15-Jährige sind so weit. Er muss ja nicht gleich am Sterbebett arbeiten.” Auch Landesrat Bernhard meint: “Man kann im Einzelfall feststellen, ob ein Jugendlicher reif für den Beruf ist.” Er geht davon aus, dass im Zuge der Pflegereform die Chancen für eine Pflegelehre steigen. Michelle Forstner hat dann ihre Lehre bereits abgeschlossen. Anschließend möchte sie die Krankenpflegeschule besuchen.

Stichwort Pilotprojekt Aqua Mühle

Zum Start im Jahr 2011 begannen 20 Jugendliche in 16 Betrieben (Sozialzentren, Krankenhäuser, Sozialeinrichtungen) eine Lehre, zwölf beendeten sie positiv. Siebe Absolventinnen begannen eine Ausbildung zur damaligen Pflegehilfe, vier haben sie 2016 abgeschlossen. Im Herbst 2013 begannen 17 Lehrlinge, im September 2014 startete der dritte Durchgang mit 13 Lehrlingen. Im September 2015 starteten zwölf Lehrlinge, 2016 begannen zehn Jugendliche die Lehre, insgesamt stieg die Zahl der Ausbildungsbetriebe auf 21. Im Herbst 2017 ist der sechste Ausbildungsdurchgang mit acht Lehrlingen gestartet. Derzeit befinden sich 16 Jugendliche in zehn Betrieben in Ausbildung.

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