Jakob und Florian

Sie sind ein Paar. Gleichgeschlechtlich und gemischtkonfessionell. Jakob ist evangelisch und Florian katholisch. Sie kennen einander seit Jugendtagen, gingen in dieselbe Schule. Beide sind in ihrer Pfarrgemeinde integriert. Jakob leitete eine Jugendgruppe und ist jetzt Umweltaktivist. Florian war Ministrant und
möchte sich in den Pfarrgemeinderat wählen lassen. Als sie ihre Gefühle füreinander entdeckten, waren sie ziemlich irritiert. War das, was sie füreinander empfanden, unnatürlich, war es Sünde? Die Klassenkameraden machten abfällige Witze über sie. Die beiden versuchten ihre Sympathien füreinander zu unterdrücken und trafen sich bald nur noch heimlich. Die Eltern von Florian taten sich schwer, die Neigung ihres Sohnes zu akzeptieren, sie schämten sich für ihn. Schließlich fanden sie sich damit ab. Jakob wuchs mit seiner alleinerziehenden Mutter auf. Sie stand immer zu ihrem Sohn. Als in der Öffentlichkeit immer öfter über Homosexualität diskutiert wurde, begannen auch sie sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es war ja für sie mehr als nur ein Thema. Conchita Wurst, die bzw. der beim Song Contest 2014 für Toleranz gegenüber Schwulen geworben hat, war ihnen keine Hilfe, im Gegenteil, sie empfanden den Auftritt zwar unterhaltsam, aber für ihre Situation ziemlich peinlich.
Dauerhafte Beziehung
Was die Bibel über Homosexualität sagt, nehmen sie zur Kenntnis. Von „Gräuel“ ist da die Rede. Es geht meistens um das „Schänden von Knaben“ oder um Vergewaltigung. Paulus nennt sie „schändliche Lust“. Eine auf Dauer angelegte Liebesbeziehung zwischen Menschen gleichen Geschlechtes kannte er nicht und kam im damaligen Weltbild auch nicht vor. Jesus hat sich nicht zum Thema geäußert. Bei ihm geht es um ganzheitliche Liebe.
Jakob und Florian wollen ihre Partnerschaft nicht auf Sex reduziert wissen, so wie sich auch Partnerschaften zwischen Mann und Frau nicht darauf beschränken lassen. Der Großteil ihres Umfeldes akzeptiert ihre Lebensart mittlerweile. Mit Interesse haben sie verfolgt, dass die Synode der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich bei ihrer Tagung in Bregenz 1999 die Segnung von nicht standesamtlich geschlossenen Partnerschaften, also für hetero und homosexuelle Paare, ermöglicht hat. Voraussetzung ist der Wille zu dauerhaftem Zusammenleben sowie personaler Zuwendung und Treue. Obwohl Jakob und Florian das Angebot gerne angenommen hätten, war ihre Scheu davor noch zu groß. Als der Staat Anfang dieses Jahres die „Ehe für alle“ eingeführt hat, waren sie unter den ersten, die diesen Schritt vor dem Standesamt taten. Jetzt gilt ihr Bund legal als Ehe.
Das Eheverständnis in der Gesellschaft hat sich im Laufe der Geschichte geändert. In biblischen Zeiten war es normal, verheiratet zu sein. Die Ehe galt der existenziellen Versorgung und der Sicherung der Nachkommenschaft. Homosexualität war Betrug am Ehepartner. Jesus, selbst unverheiratet, hat über den Wert der Ehe nichts Besonderes gesagt. Aber er hat sich dafür eingesetzt, dass Frauen, die von ihren Männern geschieden wurden, einen „Scheidebrief“ erhalten, um nicht als Freiwild in der Gesellschaft zu gelten.
„Ein weltlich Ding“
Für Martin Luther wird die Ehe nicht im Himmel geschlossen, sondern hier auf Erden. Für ihn ist sie „ein weltlich Ding“. Er führte mit seiner Katharina eine lustige, von Respekt getragene und fürsorgliche Ehegemeinschaft, in einer Zeit, in der das nicht die Regel war. Ehe hatte nicht immer etwas mit Liebe zu tun, oft nur mit Machterhalt, Geschäft und gesellschaftlichem Aufstieg. Und mit viel Heuchelei. Das in unserer Gesellschaft gewachsene und etablierte Verständnis von Ehe lässt sich nicht unmittelbar auf bestimmte Bibelzitate zurückführen.
Nach reformatorischem Verständnis ist die Ehe kein Sakrament. Trauung versteht die evangelische Kirche als einen öffentlichen Dank-, Bitt- und Segensgottesdienst nach einer vollzogenen standesamtlichen Eheschließung.
Ehe für alle
Seit es die „Ehe für alle“ vonseiten des Staates gibt, war auch die evangelisch-lutherische Kirche gefordert, Stellung zu beziehen. Bei der Synodensitzung am 9. März wurde die öffentliche Segnung homosexueller Partnerschaften beschlossen. Die Kirche hält am Leitbild der Ehe als für Kinder offene, auf lebenslange Treue angelegte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau fest. Aber auch eine verbindlich gelebte monogame gleichgeschlechtliche Partnerschaft, die durch Freiwilligkeit, lebenslange Treue, wechselseitige Fürsorge und Verlässlichkeit in guten wie in schlechten Zeiten bestimmt ist, entspricht reformatorischem Verständnis und steht im Einklang mit dem Geist des Evangeliums.
Jakob und Florian können jetzt auch kirchlich heiraten. Doch vorläufig genügt es ihnen, sich still in eine katholische Kirche zu setzen und Gott um den Segen für ihr gemeinsames Leben zu bitten.

apa
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