Wie wir untergehen
Der Vorwurf, ihr „Wien-Bonus“ sei verwandt mit freiheitlicher Ausländerpolitik, trifft Sozialdemokraten sehr. Klar. Zumindest moralisch würden sie gerne besser dastehen. Doch tun sie das? Selbstverständlich muss man unterscheiden: Wenn Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) Asylberechtigte zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft verpflichten möchte, dann hat das ebenso eine andere Qualität wie der Vorstoß von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), Asylwerbern für Hilfstätigkeiten gerade einmal 150 Cent pro Stunde zu bezahlen. Beides ist einfach nur niederträchtig: Flüchtlinge gehören nicht getreten, sondern über Aus- und Weiterbildungsprogramme qualifiziert, damit sie zumindest die Chance bekommen, eine Bereicherung für die gesamte Gesellschaft zu werden.
„Die Wiener SPÖ benachteiligt nicht nur zuwandernde Aus-, sondern auch zuwandernde Inländer.“
Doch zurück zum „Wien-Bonus“: Während Freiheitlichen ein Zuwanderungsstopp überhaupt am liebsten wäre, wie sie in ihrem Wahlprogramm 2017 wissen ließen, gehen Sozialdemokraten in der Bundeshauptstadt einen anderen Weg. Und zwar den der doppelten Diskriminierung: Bei Wohnungs-, Auftrags- und Jobvergaben wollen sie vermehrt all jene bevorzugen, die schon länger in der Stadt leben; all das läuft unter dem Titel „Wien-Bonus“. Im Umkehrschluss bedeutet dieser naturgemäß, dass nicht nur zuwandernde Aus-, sondern auch zuwandernde Inländer verstärkt diskriminiert werden. Chancengleichheit ist damit Geschichte. Die offene Stadt sowieso.
Das ist verhängnisvoll. Wobei man gleich zu ganz pragmatischen Überlegungen übergehen kann: Erstens, gerade in jüngster Vergangenheit gab es sehr viele Zuwanderer. Vor allem Flüchtlinge unter ihnen verharren in der Mindestsicherung. Ob sie aus dieser wieder herauskommen werden? Sagen wir so: Durch zusätzliche Benachteiligungen wird es ihnen nicht einfacher gemacht. Zweitens, wenn schon einmal so viele Fremde hier sind, sollten sie – wie schon erwähnt – nicht schikaniert, sondern gefördert werden. Die alternde Gesellschaft braucht sie; irgendwann wird jede Hand, die etwas leisten kann, schon von daher unbezahlbar.
Bedrohung statt Bereicherung
Und drittens: In Österreich ist noch immer eine gewisse Überheblichkeit feststellbar. Wie rasant sich nicht nur asiatische Länder entwickeln, wird kaum wahrgenommen. Die selbstgefällige Republik droht ins Hintertreffen zu geraten. Womit Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand etc. gefährdet sind. Und dieser Prozess wird nun eben auch noch dadurch befeuert, dass man mehr und mehr dazu übergeht, alles Fremde kein bisschen als potenzielle Bereicherung zu begreifen, sondern ausschließlich als Bedrohung der eigenen Leute.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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