Angriffe auf die Demokratie
So sehr Vergleiche hinken, so passend ist der, den ZiB2-Moderator Martin Thür in Bezug auf die Registrierungspflicht für Onlineforen gezogen hat und den Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) als „Blödsinn“ abgetan hat: Man stelle sich vor, Gastronomen werden verpflichtet, die Identität aller Personen festzustellen, die ihr Lokal betreten. Im Falle einer „Wirtshauskeilerei“ hätten die Behörden dann nicht mehr viel zu tun. So ähnlich ist das mit der Registrierungspflicht: Betreiber größerer Onlineforen müssen Name und Adresse aller Teilnehmer erfassen, damit der Autor eines Postings im Fall des Falles ohne weiteres zur Verantwortung gezogen werden kann.
Zum Gasthaus gibt es nur einen Unterschied: Im Internet geht es nicht darum, unbehelligt ein Bier trinken zu dürfen, sondern um die Freiheit der Meinungsäußerung. Das ist ein hohes Gut. Einschränkungen können nötig sein, dürfen aber nur dann vorgenommen werden, wenn es wirklich nicht anders geht.
Schützende Anonymität
Anlass für die Registrierungspflicht sind Hasspostings. Sie sind problematisch: Hetzerisch, menschenverachtend, das gesellschaftliche Zusammenleben sowie die Debattenkultur vergiftend. Allein: Die meisten dieser Postings erscheinen ohnehin unter dem „echten“ Namen des Autors. Seiner habhaft zu werden, ist daher ein Leichtes. Außerdem: Warum versucht man es nicht mit einer Selbstverpflichtung für Forenbetreiber? Kaum einer wird sich dagegen wehren, darauf zu achten, dass gewisse Formen gewahrt werden.
Aber nein, es muss die Registrierungspflicht sein. Viele Leute werden es sich unter diesen Umständen zweimal überlegen, ob sie dann noch „posten“. In einem Land wie Österreich, in dem der Einfluss der Parteipolitik auf fast alle Lebensbereiche schier unerträglich ist und Postenbesetzungen mehr denn ja auf Basis von Loyalitätsverhältnissen erfolgen, weiß man nie, was verhängnisvoll werden kann. Soll heißen: Auch ganz normale Menschen haben gute Gründe, sich nur aus einer schützenden Anonymität heraus zu äußern. Doch genau das soll jetzt unterbunden werden.
Und das passt zu so vielem: Bei der Beschleunigung von Umweltverfahren gab es zunächst den Plan, von Bürgerinitiativen zu verlangen, ihre Mitgliederlisten offenzulegen. Dahinter steckt dieselbe Geisteshaltung: Gerade dort, wo man einander kennt, würden dann die meisten zögern, sich gegen ein größeres Projekt ihrer Gemeinde oder des Landes zu stellen.
Das sind Angriffe auf die Demokratie. Die Bürger werden in ihren praktischen Möglichkeiten, sich zu engagieren, geschwächt, während sich die Politik selbst nebenbei auch noch stärkt und stärkt. Ja, nicht nur, dass bei Parteien weiterhin größtmögliche Intransparenz herrscht, ÖVP und FPÖ haben gerade auch noch dafür gesorgt, dass ihre Förderungen künftig jedes Jahr automatisch erhöht werden. Zumindest ihre Freiheiten sind damit wertgesichert.
„Die Bürger werden in ihren praktischen Möglichkeiten, sich zu engagieren, geschwächt.“
Johannes Huber
johannes.huber@vn.at
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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