Bestattungsföderalismus

Vorarlberg / 12.04.2019 • 17:32 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
Bestattungsföderalismus

Ein alter Scherz besagt, Schwangerschaften dauerten in der Schweiz von Kanton zu Kanton unterschiedlich lang. In Österreich, wo man ein größeres Naheverhältnis zum Tod hat, wirkt sich der Föderalismus hingegen aufs Sterben aus. Das Bestattungswesen ist nämlich Ländersache. Die Unterschiede beginnen bei der Frage, ob und wie lange man Verstorbene im eigenen Haus aufbahren darf. In Wien ist das zum Beispiel grundsätzlich verboten, außer man ist der Mittelpunkt eines Staatsbegräbnisses. Dann darf die schöne Leich auch eine Weile im Parlament, dem Rathaus oder der Hofburg stehen. In Vorarlberg darf man einen Verstorbenen daheim aufbahren, wenn man vorher den Bestatter angehört hat. Im Gefahrenfall, etwa wenn der Verstorbene eine gefährliche Infektionskrankheit hatte, muss der allerdings den Bürgermeister informieren.

Urne auf dem Kaminsims

Die Länder sind sich nicht einmal einig, was nun eine Leiche ist. „Leiche im Sinne dieses Gesetzes ist der Körper eines toten Menschen“, heißt es etwa lapidar in Niederösterreich. In Vorarlberg und zwei anderen Bundesländern sind aber Fehlgeburten keine Leichen und nicht der Totenbeschau zu unterziehen. Bei einem Thema aber scheiden sich die Geister besonders: Soll die Urne mit den Überresten eines Verstorbenen mit nach Hause genommen werden dürfen? In vielen Bundesländern muss das die Gemeinde genehmigen. In Wien kann man die Urne nur mitnehmen, wenn der Verstorbene oder seine Angehörigen einverstanden waren, sie muss zudem versiegelt werden und der Eigentümer der Wohnung, in der sie aufbewahrt wird, muss zustimmen. In Tirol wiederum dürfen die Angehörigen maximal 20 Gramm Asche zur Erinnerung entnehmen und unter sich aufteilen. Auch in Vorarlberg darf die Asche geteilt werden, ein Teil muss jedoch immer bestattet werden. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Wer eine Urne aus einem Land einführt, in dem man die Asche mit nach Hause nehmen darf, kann sie auch in Vorarlberg daheim behalten. Mit der Regelung wollte man Menschen bei Umzügen nicht zumuten, die Oma nach 20 Jahren am Kaminsims dann doch noch beerdigen zu müssen. Wie so oft haben findige Geschäftsleute aber ein Schlupfloch gefunden: Wer die Urne mit nach Hause nehmen will, unterschreibt bei so manchem Vorarlberger Bestatter, dass sie in der Schweiz übergeben wurde. Eine sehr österreichische Lösung.

Moritz Moser stammt aus Feldkirch, lebt und arbeitet als Journalist in Wien. Twitter: @moser_at