Monika Helfer

Kommentar

Monika Helfer

Was war das, was ist das?

Vorarlberg / 14.04.2019 • 18:59 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

„Was war das, was ist das?“, fragte der sehr dicke Mann seine Lebensgefährtin. Sie lag noch im Bett und schaute ihn groß an:

„Was meinst du, mein Walrösschen?“

„Da!“, sagte der Mann, er schrie beinahe und riss seinen Mund auf. „Siehst du das? Ich schäume.“ Und er schäumte wirklich. Aus dem Mund.

Die Frau setzte sich im Bett auf. „Was hast du genommen?“, fragte sie.

„Ich wollte einfach Käse essen, meinen wahnsinnig lieben gelben Gouda, der im Eisschrank lag, ganz vorne.“

„Wir haben gar keinen Gouda im Eisschrank“, sagte sie. Sie stand auf, schlüpfte in ihre Federnpantoffeln und rutschte zum Eisschrank. „Wo?“

„Da, auf dem Tisch“, sagte der arme Mann, dem schlecht geworden war, so dass er sich auf das Parkett plumpsen musste. „Da, da!“

„Es gab ein Abendessen mit gutem Weißwein, frischem Weißbrot und viel vom gelben Gouda.“

Auf dem Frühstückstisch lag ein gelbes Stück, angeblich der gelbe Gouda, aber es war ein gelbes Stück Zitronenseife.

„Um Himmels Willen, da hab ich doch tatsächlich die Seife in den Kühlschrank gelegt! Und du, mein Armer, mein Dicker, kannst du mir verzeihen? Wie kann ich dich wieder vom Boden heben?“, jammerte die Frau. „Da muss ich den Nachbarn bitten.“

Der Mann war weiß im Gesicht und die Frau holte ihr Handy, und ohne ihn zu fragen, rief sie einen befreundeten Arzt an: „Du musst sofort kommen! Er kriegt kaum Luft.“

Die Frau setze sich zu ihrem Lebensgefährten auf das Parkett, nahm seine Hand und drückte sie. „Schau, so sind wir zwei, die eine vergesslich, der andere vor lauter Hunger blind.“

Der Arzt kam, und der Mund des dicken Mannes wurde ausgiebig ausgespült – was er bisher nicht getan hatte, er hatte sogar Seifenschaum geschluckt. Der Arzt hatte einen Marillenschnaps mitgebracht, den tranken die drei, alle auf dem Boden sitzend. Als der Nachbar zusammen mit dem Arzt den dicken Mann wieder in die Senkrechte gebracht hatte, schien alles wieder gut.

„Sag, du gehst nicht zufällig zum Pöhl und kaufst mir den gelben Gouda, sozusagen zur Wiedergutmachung?“, fragte der dicke Mann seine Lebensgefährtin.

Sie versprach es, und als sie ihn gekauft hatte, ein Riesenstück, das nicht billig gewesen war, schlug sie es in ein weißes Papier ein, nahm einen schwarzen Filzstift, schrieb darauf „essbar“ und legte es in den Kühlschrank.

Es gab ein Abendessen mit gutem Weißwein, frischem Weißbrot und viel vom gelben Gouda.

„Sag, Nilpferdchen, wie heißt doch gleich dieser herrliche Käse?“, fragte die vergessliche Frau.

Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.