Der Himmel steht für alle offen

Wieder einmal feiern wir Christi Himmelfahrt, ein Fest, das uns sagt, dass sich auch für uns der Himmel öffnet. Aber das heißt nicht, dass wir vor der Erde und der Mühe fliehen dürfen und zu Himmelstürmern werden. Da mahnt schon die griechische Mythologie mit der Geschichte von Ikarus, dass der Himmelsstürmer jäh abstürzt und dass dies nicht zum Leben führt. Schaut nicht zum Himmel, sondern schaut da hin, wo er wiederkommt. Und wo kommt er wieder? Er ist da und zu finden in unserem Leben, hinter allen Dingen, in jedem Menschen, in unserer Tiefe, in der Musik und im Schweigen, im Wort und in der Stille. Auf die Frage, wo sich Gott versteckt, antwortet eine chassidische Geschichte: Im Herzen des Menschen.
Ein Licht entzünden und entdecken
An Ostern haben wir in der Nacht eine große Kerze entzündet, die ein ganzes Jahr leuchten kann und sie ins Dunkel der Kirche getragen, als Zeichen, er, der auferstanden ist, will unsere Welt, unser Herz erleuchten, Licht schenken. An Christi Himmelfahrt hat man früher diese Kerze wieder feierlich ausgelöscht, als ein Zeichen, dass er in den Himmel aufgefahren ist. Heute lassen wir diese Kerze das ganze Jahr hindurch brennen als Zeichen dafür: An jedem Tag ist Auferstehung, an jedem Tag wird uns Licht der Hoffnung geschenkt. An jedem Tag ist Himmelfahrt. Dies ist ein Zeichen, dass wir nicht allein sind.
Die Schöpfung ist eine Evolution auf die Liebe hin
Ernesto Cardenal, Priester, Mönch, Revolutionär, Politiker und Dichter, Erfolgreicher und Gequälter, schreibt eine wunderschöne Ballade über die Schöpfung.
„Die Schöpfung ist kein einzelner Augenblick, sondern ein Prozess, sich wie eine Blume öffnend. Sie ist ein Gott in andauernder Schöpfung – ein Schöpfer, der die ganze Zeit erschafft und seine Schöpfung nicht gleichgültig sieht, sich um das Leben sorgt, das er erschafft. Die Schöpfung hat nie aufgehört, eine Evolution zum Menschen in einer einzigen Richtung, alle angezogen von der Liebe, alle eins werdend, ein vereinigtes Universum und Christus ist der Mittelpunkt von allem.“
Dieser greise Mensch, der das Leben in allen Schattierungen kennt, schreibt solche Worte am Ende seines Lebens. Wir kommen vom Licht, vom ewigen Licht, von Gott. Wir sind Sternenkinder, Himmelskinder und tragen diesen Himmel in uns, aber wir müssen darauf achten, dass dieses Licht nicht vom Dunkel durch rohe Worte und noch mehr durch rohes Tun ausgelöscht wird.
Der Himmel ist in uns
Origines, der von 185 bis 254 in Alexandria gelebt hat, schreibt: „Du bist Himmel und du gehst in den Himmel.“ Angelus Silesius, der von 1624 bis 1677 in Breslau lebte, schreibt: „Halt an, wo laufst du hin? Der Himmel ist in dir. Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.“
Der Himmel ist in uns, wenn wir ihn suchen, steht auch der Himmel für uns alle offen. Wir können diesen Himmel finden in unserm Menschsein, in unseren kleinen und großen Freuden, aber auch in unsern Ängsten und in jeder Not.
Wir können ihn in Menschen finden, im Sonnenaufgang und im Blühen der Bäume, im Leuchten einer Blume und im Gesang eines Menschen. Das Osterlicht lässt uns weiter und tiefer sehen und öffnet uns die Augen. So schmilzt auch die Vereinsamung und Sinnlosigkeit in unserm Leben, wir finden neue Hoffnung. Darum wünsche ich, dass dieses Osterlicht für alle ein ganzes Jahr lang brennt und allen Himmelfahrt ermöglicht.
