Innige Schwesternbande: Seite an Seite gingen Helga und Irene Winter durchs Leben

Seite an Seite ein Leben lang. Nun zogen die Schwestern Helga und Irene Winter aus Bregenz gemeinsam ins Altersheim.
Bregenz Bedächtig schneidet Irene Winter (94) ihrer Schwester Helga (89) die Stirnfransen. Als diese sich danach im Spiegel anschaut, sagt sie zu Irene: „Das hast du aber gut gemacht, Irene.“ Helga und Irene sind ein gutes Team und seit Kindertagen unzertrennlich. Die Schwestern wurden in eine Kaufmannsfamilie hineingeboren. Der Vater betrieb in Bregenz ein Stoffwarengeschäft. Der Krieg nahm den Winters viel. Der lungenkranke Bruder, der den Kriegsdienst in einer Fabrik ableistete, starb nach einer Erkältung im Lazarett. Das Zuhause der Winters und ihr Geschäft wurden in den letzten Kriegstagen bombardiert. Danach lag das Haus in Schutt und Asche.
Männermangel nach dem Krieg
Mit vereinter Kraft gelang der Neuanfang. „Wir mussten uns eine Wohnung und eine Arbeit suchen“, erzählt Helga, die die harte Zeit des Wiederaufbaus noch in guter Erinnerung hat. Die Schwestern wurden bei der Schöller-Fabrik fündig. Dort arbeiteten beide bis zu ihrer Pensionierung. Keine der beiden heiratete oder gründete eine Familie. Helga hat dafür eine Erklärung: „Nach dem Krieg gab es nicht mehr viele Männer. Meine Jahrgänge waren gefallen und die Alten haben mich nicht interessiert.“ Den Männermangel bekam sie auch im Tanzkurs zu spüren. „Mich forderte der Tanzlehrer auf, weil kein anderer Mann da war.“ Jetzt meldet sich auch Irene zu Wort, die im Alter vergesslich wurde, und angeblich einmal kurz vor der Heirat mit einem Amerikaner stand: „Ich weiß nicht, warum es nicht geklappt hat mit dem Heiraten“, sagt sie und blickt fragend ihre Schwester Helga an. Die sieht zwar aufgrund einer Augenerkrankung fast nichts mehr, hat aber noch ein sehr gutes Gedächtnis. Sie erinnert sich, wie der Vater sie und Irene einmal ermahnte: „Bringt mir ja keinen Mann, der euch das Geld verputzt.“
“Wir haben das Geld mit Reisen verputzt.”
Helga Winter, Pensionistin
Das Geld verputzten die Schwestern, die immer zusammenwohnten, auf andere Art und Weise. „Wir haben drei Viertel der Welt gesehen“, gibt Helga preis, dass sie und Irene sehr reiselustig und fasziniert von fremden Kulturen waren. Helga hätte noch einmal gerne den fünften Kontinent bereist, aber die nachlassende Sehkraft machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Geblieben sind ihr aber die Erinnerungen an schöne, große Reisen. In diesen schwelgt Helga oft. „Irene, kannst du dich noch an die Mitternachtssonne am Nordkap erinnern?“, fragt sie ihre Schwester. Als sie keine Antwort bekommt, wird Helga ärgerlich. „Sag halt auch was, Irene.“ Aber Irene entfährt nur ein „Ich weiß es nicht mehr.“

Helga drängt jetzt ihre Schwester zum Aufbruch. Komm, zieh deine Schuhe an.“ Das Geschwisterpaar, das vor ein paar Monaten gemeinsam ins Sozialzentrum Mariahilf gezogen ist und sich dort ein Zimmer teilt, möchte zum Campingplatz Weiss gehen. „Dort gibt es den besten Wurstsalat“, beteuert Helga. Obwohl sie fast blind ist und Irene oft schwindlig wird, wollen die betagten Frauen den Weg dorthin zu Fuß gehen. Gemeinsam haben sie diesen Weg schon ein paar Mal gemeistert. „Wir haken uns ein. Irene sieht für mich. Und führen tue ich“, erklärt Helga, wie sie den Campingplatz erreichen. Dort werden die Winter-Schwestern immer mit den gleichen Worten begrüßt: „Jetzt kommen die Mädels wieder.“ Hier weiß man: Irene und Helga gibt es nur im Doppelpack. Die Schwestern bedeuteten sich schon in der Jugend viel. Aber das Alter schweißte die Geschwister, die zusammen das Leben bewältigten, noch enger zusammen, denn jetzt brauchen sie sich noch mehr. Keine kann sich vorstellen, ohne die andere zu sein. Deshalb wünscht sich Helga inniglich, „dass uns der Herrgott gleichzeitig holt“.