Jürgen Weiss

Kommentar

Jürgen Weiss

Shredder-Gate

Vorarlberg / 05.08.2019 • 18:35 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Das Eingeständnis des früheren SPÖ-Bundeskanzlers Christian Kern, auch bei seiner Amtsübergabe seien Datenträger zerstört worden, hat Bundeskanzler Kurz für die Erklärung seines „Shredder-Gates“ eine Atempause verschafft. Das zeigt zunächst einmal deutlich, wie kurzlebig öffentliche Erregung sein kann. Wer redet heute beispielsweise noch davon, welches Bild der FPÖ-Vizekanzler Strache in seinem Skandal-Video von sich selbst gezeichnet hat?

Bei vernünftiger Handhabung kein Problem

Dass einer der engsten Mitarbeiter von Bundeskanzler Kurz unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und in einer Art Zechprellerei Datenträger außerhalb des Amtes vernichten ließ, ist an Tollpatschigkeit, vielleicht verführt durch schlechtes Gewissen, kaum zu überbieten und insoweit einzigartig. Dass aber bei einem Amtswechsel nicht alle im Laufe der Zeit angefallenen Daten, soweit sie nicht verwaltungsrelevant sind, dem Nachfolger überlassen werden, ist aber – in diesem Punkt hat Sebastian Kurz recht – durchaus üblich. Sein Vorgänger Kern hat es nicht anders gehalten und Bundeskanzlerin Bierlein hat auch schon klargestellt, wie sie ihre Computer übergeben wird: „frisch aufgesetzt“ (das heißt besenrein gesäubert). Das betrifft in der Regel Kalender, Notizen und nichtamtlichen Schriftverkehr. Dass so etwas auf Dienstcomputern gar nichts zu suchen habe, ist eine völlig lebensfremde Vorstellung. Die für Kalendereintragungen zuständige Mitarbeiterin wird natürlich auch Arztbesuche, Freizeittermine und politische Veranstaltungen vormerken und es lässt sich gar nicht verhindern, dass sich im Posteinlauf zahlreiche Schreiben finden, die mit der Amtsführung im engeren Sinne nichts zu tun haben. Das am Schluss zu löschen, war bei vernünftiger Handhabung bisher nie ein Problem.

Dazu wurde es erst in dem Maße, in dem die Mitarbeiterstäbe der Regierungsmitglieder riesig angewachsen sind und nicht nur Funktionen einer kostspieligen Parallelverwaltung übernommen haben, sondern auch zu politisch ausgerichteten Stabsstellen wurden. Hier ist die derzeitige Übergangsregierung eine wohltuende Unterbrechung dieser unseligen Praxis.

Reißwolf für das Rauchverbot

Der Reißwolf soll neuerdings aber auch an ganz unvermuteter Stelle zum Einsatz kommen. Die FPÖ will ihn offenbar schon zum zweiten Mal mit dem eben erst beschlossenen Rauchverbot in der Gastronomie füttern. Es sei der Todesstoß für die Gastronomie – gerade so, ob man im Rest Europas nichts mehr zu essen oder zu trinken bekäme.

Mit dem Beharren auf einem Innenminister Kickl und der Neuauflage einer Abschaffung des Rauchverbots wird die FPÖ für eine Regierungsbeteiligung wohl kaum mehr eine Partei finden, die sich darauf einlässt. Aber auch das wird, falls es überhaupt dabei bleibt, kein Todesstoß für Österreich sein.

„Aber auch das wird, falls es überhaupt dabei bleibt, kein Todesstoß für Österreich sein.“

Jürgen Weiss

juergen.weiss@vn.at

Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.

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