“Es gibt keinen Rhesi-Neustart”

Der Landeshauptmann ist über “Umsturzpläne” der Schweizer Naturschützer verärgert.
St. Gallen, Bregenz Mit ihren Anträgen für eine Neuauflage des Rhesi-Planungsprozesses sorgen der World Wildlife Fund (WWF) St. Gallen und Pro Natura St. Gallen-Appenzell für große Aufregung. Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (52) stellt sich im VN-Interview entschieden gegen die Forderungen der Naturschutzorganisationen.
Wie sehr haben Sie die Anträge der Schweizer Naturschützer an das
St. Galler Tiefbauamt überrascht?
Wallner Überrascht haben sie mich nicht, aber verärgert. St. Galler Regierungskollegen haben mir schon mitgeteilt, dass der WWF Einwände gegen das Projekt hat. Wenn das jetzt alles so käme, wie die das wollen, dann müssten wir im Planungsprozess von vorne beginnen. Das kommt nicht infrage. So etwas ginge auf Kosten der Sicherheit der Bevölkerung.
Wie ernst nehmen Sie diese glatte Ablehnung des Rhesi-Projekts samt Verfahren?
Wallner Juristisch ist dieser Schritt natürlich ernst zu nehmen. Die Schweizer Stellen werden sich damit auseinanderzusetzen haben. Man muss bei einem Großprojekt wie Rhesi selbstverständlich immer mit Einwänden rechnen. Gegenüber den 300.000 Menschen, die im Rheintal ein großes Sicherheitsbedürfnis haben, ist diese Vorgangsweise jedoch eine Anmaßung. Man hat sich in der Vorbereitung des Generellen Projekts zu Rhesi intensiv um eine ökologische Verbesserung bemüht, und das ist auch gelungen. Aber oberste Priorität hat nun mal die Sicherheit.
Haben Sie mit den Schweizer Vertretern des WWF und von Pro Natura St. Gallen schon einmal persönlich über das Projekt gesprochen?
Wallner Nein. Wir haben im Rahmen des Projekts mit den Schweizer Partnern vereinbart: Sie sprechen mit allen Beteiligten in der Schweiz, wir mit allen Betroffenen und Kritikern in Vorarlberg. Aber natürlich hätte ich mich einem Gespräch mit Vertretern des WWF St. Gallen und von Pro Natura Schweiz nicht verweigert. Das gilt auch jetzt.
Was bedeutet der Zangenangriff auf Rhesi nun für die Weiterentwicklung des Projekts: Einerseits die Schweizer Naturschützer, andererseits die Gruppe in Koblach, die das Gegenteil will?
Wallner Man muss alles richtig einordnen und entsprechend werten. Es ist doch klar, dass bei einem derart großen Projekt wie Rhesi mit Einwänden zu rechnen ist. Diese Einwände und Kritikpunkte sollen auch im Verfahren behandelt werden, so wie es ein rechtskonformes Prozedere vorsieht. Aber eines ist klar: Diese Variante wird nicht noch einmal aufgeschnürt. Das würde bedeuten, dass wir bei null beginnen. So etwas kommt nicht infrage.
Die Schweizer Naturschützer stellen auch die Rechtmäßigkeit des Verfahrens infrage. Besteht da nicht eine große Gefahr für den gesamten Prozess?
Wallner Diese Frage müssen die Schweizer klären. Dort wurde der Einwand ja auch eingebracht. Ich sehe das gelassen. Ich glaube nicht, dass die Naturschutzorganisationen mit ihrer Beschwerde durchkommen. Die Schweizer haben den ganzen Verfahrensprozess gewiss gründlich vorbereitet und sich auf alle möglichen Szenarien eingestellt. Den Vorwurf eines Verfahrensmangels bekommst du bei großen Projekten ja immer. Das erleben wir bei uns ja auch immer wieder. Ich vertraue darauf, dass die Schweizer alles richtig gemacht haben.
Welche Rhesi-Gegner fürchten Sie mehr: Die Naturschützer in der Schweiz oder die Koblacher Widerständler gegen eine Rheinaufweitung ?
Wallner Ich fürchte niemanden. Vor allem deswegen nicht, weil ich weiß, dass wir die Bevölkerung zu 80 Prozent hinter uns haben. Für die steht nämlich die Sicherheit am Rhein ganz klar im Vordergrund. In diesem Sinne müssen wir alles tun, um möglichst schnell zu einem genehmigungsfähigen Projekt zu kommen. Es ist den Menschen im Rheintal nicht zuzumuten, dass wir bei Rhesi um Jahre zurückgeworfen werden. Das Hochwasser vor wenigen Wochen hat uns einmal mehr die Dringlichkeit einer schnellen Umsetzung dieses eminent wichtigen Projekts vor Augen geführt. Die Sicherheit kennt keinen Kompromiss.
WWF-St.-Gallen-Sprecher Indermaur hat uns gegenüber angedeutet, es könne bald Widerstand vonseiten der Naturschützer auch in Vorarlberg geben. Haben Sie da etwas läuten gehört?
Wallner Bisher nicht. Mein letzter Stand bezüglich der Naturschutzorganisationen in Vorarlberg ist: Deren Vertreter tragen das Trittsteinkonzept mit. Es wird vor dem Verfahren zu keinem Widerstand kommen. Alles andere würde einen totalen Kurswechsel bedeuten.
Können Sie sich grundsätzlich eine ökologische Verbesserung bei Rhesi vorstellen?
Wallner Für mich hat jetzt oberste Priorität, dass wir so rasch es nur geht mit einem genehmigungsfähigen Projekt in ein Verfahren kommen und dass die bestehende Variante hält. Auf dem Weg dorthin wollen wir alle Beteiligten mit einbinden. Und natürlich sind im Rahmen dieses Prozesses weitere ökologische Verbesserungen vorstellbar.
Sehen Sie den Zeitplan des Projekts in Gefahr?
Wallner Nein, sehe ich nicht. Nicht was das Einreichprojekt anbelangt. Dass es dann im Verfahren zu Verzögerungen kommt, damit ist zu rechnen. Aber da unterscheidet sich Rhesi nicht von anderen Großprojekten.
Wer ist denn in der Schweiz Ihr erster Ansprechpartner, wenn es zu Entwicklungen wie den jüngsten bei den Eidgenossen kommt?
Wallner Das ist für mich der St. Galler Regierungsrat Marc Mächler. Mit dem werde ich mich nach meinem Urlaub auch gleich einmal treffen und die Situation erläutern.
Wird Rhesi ein Wahlkampfthema?
Wallner Ich hoffe nicht und kann es mir auch nicht vorstellen. In der Regierung ziehen wir bei diesem Thema an einem Strang, und im Landtag habe ich bei den Oppositionsparteien bisher auch keine Konfliktbereitschaft entdeckt.
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