Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Warum ich keine Spülmaschine habe

Vorarlberg / 12.08.2019 • 19:21 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Im Sommer wohne ich vorwiegend im Wochenend-Haus am Land, schreiben kann man ja überall. Es ist ein nettes, lebendiges Dorf mit einer kleinen Kolonie von befreundeten Familien, die man so lange um das jeweils im Ort gerade zum Verkauf stehende Haus geführt hat, bis sie sich rettungslos verliebt hatten. An heißen Sommerwochenenden sind fast alle da und bekommen Besuch aus der Stadt; manchmal ist so viel los, dass ich zwischendurch in die heiße Metropole flüchte, um mich ein wenig vom Sommerfrischetrubel zu erholen. Es wird viel gegrillt, man lädt fünf ein, zwölf kommen, manchmal sitzen auch 20 am Tisch, das ist normal. Normal ist auch, dass dann alle beim Abwasch helfen. Und garantiert kommt irgendwann die Frage: Warum hast du eigentlich keine Spülmaschine?

Ja, hmm. Also erstens ist das Geschirr an solchen Abenden, wenn die Gäste auch beim Abwasch helfen, viel schneller und lustiger abgewaschen, abgetrocknet und weggeräumt.

Zweitens ist fast mein ganzes Geschirr Blaurand, schau, der hellblauen Streifen, der sich den Rand des Tellers entlang zieht, der wiederum von je zwei zarten, schwarzen Strichen eingefasst ist, siehst du. Ja, stimmt, sieht wenig spektakulär aus, aber es ist Blaurand. Blaurand-Geschirr gab‘s, soweit ich weiß, nur in Vorarlberg, in Tirol und in Süddeutschland. Wochentagsgeschirr, ziemlich alt. Ich habe einmal ein paar Tassen und Teller von meinen Omas und meiner Großtante Hedwig selig geerbt, dann fing ich an, das zu sammeln und in Brockenhäusern und auf ebay zu suchen, dann bekam meine Verwandschaft davon Wind, und ich wurde so massiv mit Blaurand überhäuft, dass mir jede Woche eine Tasse oder ein Teller aus der Hand fallen könnte, aber ich hätte trotzdem genug Blaurand bis an mein Lebensende, danke!

Aber siehst du: Dieser blaue Rand ist handgemalt, jede einzelne Tasse und jeder einzelne Teller, und wenn du genau schaust, erkennst du, dass sie sich teilweise stark unterscheiden, weil das Blaurand von verschiedenen Firmen hergestellt wurde, in Österreich, der BRD, der DDR und in der Tschechoslowakei, das Hellblau ist mal baby- und mal himmelblau, und hier fast grün, schau mal, hier breiter als da, und der Millimeter Abstand, der zwischen die beiden schwarzen Linien gehört, das sind hier mindestens zwei. Schön, oder? Jeder hat‘s ein bisschen anders gemacht.

Aber weißt du, was Blaurand nicht verträgt? Spülmaschine. In der Spülmaschine wird es ganz schnell wüascht, wie man bei uns sagt: zerkratzt, verwelkt, erblasst. Deshalb besitze ich keine Spülmaschine, ganz einfach. Hätte ich gern eine? Ja. Aber ich liebe mein Blaurand, also: tja.

„Aber weißt du, was Blaurand nicht verträgt? Spülmaschine.“

Doris Knecht

doris.knecht@vn.at

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.