Damülser Dorfarzt holt Vergangenheit ein

Vorarlberg / 16.08.2019 • 20:08 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Der neue Damülser Dorfarzt machte in der Schweiz Schlagzeilen (oben). Zuletzt wurde am 7. Juni seine frühere Praxis bei Bern geräumt.
Der neue Damülser Dorfarzt machte in der Schweiz Schlagzeilen (oben). Zuletzt wurde am 7. Juni seine frühere Praxis bei Bern geräumt.

Rechtskräftige Verurteilung, Gläubiger und anstehender Prozess: Gemeinde steht dennoch hinter ihrem Arzt.

Damüls Eine E-Mail trübt dieser Tage die Idylle in der Bregenzerwälder Gemeinde Damüls. Ein Gläubiger aus der Schweiz hat sich auf die Suche nach seinem ehemaligen Mieter gemacht, bat den Bürgermeister um Unterstützung. Der Arzt betrieb seine Praxis im Umland Berns, die später von den Behörden geschlossen und schließlich geräumt wurde. Jetzt wird er vom Gläubiger in Damüls vermutet.

Volltreffer. Der 45-jährige Deutsche hat mit 22. Februar dieses Jahres die Arztpraxis in der gut 300 Einwohner zählenden Kleingemeinde übernommen. Nun scheint ihn seine Schweizer Vergangenheit einzuholen. Eine, die zuletzt in der Nachbarschaft auch für reichlich Schlagzeilen sorgte. „Das schwarze Schaf im weißen Kittel“ (Berner Zeitung), „Schwindel-Arzt abgetaucht“ (Blick), titelten große Medien. Alles unwahr, beteuert der Beschuldigte im Gespräch mit den VN. Namentlich nennen dürfen wir ihn nicht, seine Geschichte hat er dennoch erzählt. Es ist eine Geschichte von unglücklichen Umständen und Behördenwillkür. Sich selbst sieht der Mediziner in der Opferrolle.

Rechtskräftig verurteilt

Dabei wiegen die Fakten schwer. Der Arzt wurde wegen falscher Abrechnungen mit einer Krankenkasse rechtskräftig verurteilt. Gewerbsmäßiger Betrug und Dokumentenfälschung stehen im Strafregister. Die Berner Gesundheitsbehörden hatten ihm daraufhin die Vertrauenswürdigkeit abgesprochen und die Berufsausübungsbewilligung entzogen. Später wurde die Praxis behördlich versiegelt und danach geräumt. Dazu kommen noch offene Rechnungen, die im kantonalen Betreibungsregisterauszug fünf Seiten füllen.

Das Unrecht aus Sicht des Mediziners nahm mit einem Urlaub im März 2017 seinen Lauf. Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft wegen Betrugs wurde zugestellt. Weil er mit seinen Kindern in den Ferien war, habe er diesen weder erhalten noch beeinspruchen können. „Nach Rechtsordnung in Österreich und Deutschland wäre diese Verurteilung so nie zustande gekommen“, sagt der Arzt und spricht von einem rechtsfehlerhaften Urteil. Die Folgen sind beschrieben: der Entzug der Berufsausübungsbewilligung als Arzt im Kanton Bern. Weil er dieses Schriftstück zwar persönlich bei der Post abgeholt, aber nicht geöffnet hat, läuft nun ein weiteres Strafverfahren. Der erfahrende Mediziner ordinierte mehrere Monate weiter, schrieb Rechnungen ohne entsprechende Zulassung. „Ich habe im Glauben gehandelt, dass ich eine habe.“ Das Dokument habe er im Alltagsstress schlichtweg vergessen. Ein erster Prozess, erneut wegen Betruges, wurde vertagt. Der Fall geht in zwei Wochen in die nächste Runde. Die Forderungen des Staatsanwalts haben es in sich: zehn Monate bedingte Haft und einen fünfjährigen Landesverweis. Ein Urteil steht aus. Für den Mediziner gilt in dieser Angelegenheit freilich die Unschuldsvermutung.

Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen, beteuert der Wahlarzt mit Nachdruck. Zu dieser Einschätzung ist auch die österreichische Ärztekammer gekommen. Der Ehrenrat sah die Vertrauenswürdigkeit jedenfalls als gegeben und stimmte einer Eintragung in die Ärzteliste zu. Er sei auch nicht abgetaucht oder aus der Schweiz geflohen, verfüge dort vielmehr noch über einen Wohnsitz, sagt der 45-Jährige im VN-Gespräch in seiner neuen Damülser Praxis. Und was die offenen Forderungen betrifft, werde er jene begleichen, die berechtigt seien. Hart ins Gericht geht der Deutsche mit den Medien, die teils vom Presserat gerügt worden seien. Auch ein Verfahren gegen einen Journalisten ist anhängig.

Gemeinde steht hinter Dorfarzt

In Damüls selbst waren die Vorwürfe bekannt. „Er hat uns von Beginn an über die Situation in der Schweiz aufgeklärt“, sagt Vizebürgermeister Karl Türtscher. Die Gemeinde steht hinter ihrem neuen Dorfarzt. Er habe sich bestens integriert, sei bei der Bergrettung und mache einen super Job. Um seinen Verbleib trotz umstrittener Vergangenheit kämpfen die Verantwortlichen mit harten Bandagen. Zum rauen Ton gehören auch subtile Drohungen, sollte eine Berichterstattung den Mediziner seinen Job kosten. Damüls hält jedenfalls an der Arztbestellung fest – und das mit allen Mitteln.

„Er hat uns über die Situation in der Schweiz informiert und macht einen super Job.“

Damülser Dorfarzt holt Vergangenheit ein
Damülser Dorfarzt holt Vergangenheit ein

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.