Jürgen Weiss

Kommentar

Jürgen Weiss

Honolulu-Abkommen

Vorarlberg / 20.08.2019 • 06:59 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

In den Sechzigerjahren, der „Blütezeit“ des schwarz-roten Proporzes, kursierte in Wien folgendes Bonmot: „Beim Staat wird jeder Posten dreifach besetzt – ein Schwarzer, ein Roter und einer, der die Arbeit macht.“ Die strikte Aufteilung von Posten in der Verwaltung in den staatsnahen Betrieben mit einem Stellvertreter von der anderen Partei als Aufpasser und Gegengewicht hatte auch einen bezeichnenden Namen: Honolulu-Abkommen. Des ständigen Kleinkriegs um Postenbesetzungen müde, schufen der schwarze Nationalbankpräsident Reinhard Kamitz und sein roter Vizepräsient Andreas Korp 1961 am Rande einer Weltbanktagung in Honolulu ein genaues Regelwerk für die Aufteilung gleichwertiger Einflusszonen, selbst das Reinigungspersonal bekam rote oder schwarze Besen. Und weil das für die beiden Parteien so praktisch war, wurde es bald auch auf möglichst viele andere Bereiche übertragen. Selbst der Verfassungsgerichtshof blieb von parteipolitischen Kontingentierungen nicht verschont.

„Im Kampf mit dem Drachen zum Drachen geworden.“


Das funktionierte nicht zuletzt deshalb lange Zeit, weil in Österreich bis in die Freizeitvereine hinein die parteipolitische Zuordnung eine große Bedeutung hatte. Bei welchem Fußballverein man kickte, war früher auch ein politisches Bekenntnis. Aufgebrochen wurde das durch einen allgemeinen Bewusstseinswandel, kritische Medien und durch Jörg Haider – es war der Stoff, aus dem er Wahlerfolge machte. Inzwischen ist die FPÖ im Kampf mit dem Drachen (was der Philosoph Karl Jaspers 1946 als allgemeine Warnung formuliert hatte) selbst zum Drachen geworden. Jüngstes Beispiel dafür ist das von der Staatsanwaltschaft verfolgte Gemauschel um den von der FPÖ protegierten Finanzvorstand der Casinogesellschaft, obwohl bei ihm der beigezogene externe Personalberater die erforderliche Qualifikation vermisst hatte.

Das Schlammassel der FPÖ arbeitet den Grünen und den Neos in die Hände, die ÖVP wird als Regierungspartner froh sein, mit einem türkisen Auge davon kommen zu können. Bemerkenswert ist übrigens, wie frühere schwarze Spitzenpolitiker auf Distanz zur neuen Parteifarbe gehen. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner schreib sich seinen Frust mit einem eigenen Buch von der Seele, Vizekanzler Erhard Busek steuerte dem neuen Buch „Kurz & Kickl“ des früheren Kurier-Herausgebers und nunmehrigen Neos-Kandidaten Helmut Brandstätter ein wohlmeinendes Vorwort bei, und Nationalratspräsident Heinrich Neisser hat einem für den 19. September angekündigten Vortrag im Dornbirner Spielboden den vielsagenden Titel gegeben „Der Wandel von der christlich-sozial orientierten Volkspartei zum türkisen Populismus“.

Jürgen Weiss
juergen.weiss@vn.at
Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.

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