Hanno Loewy

Kommentar

Hanno Loewy

Tote Abenteuer

Vorarlberg / 21.08.2019 • 18:52 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Die Biennale von Venedig verspricht eine Entdeckungsreise durch „interessante Zeiten“. Mit feiner Ironie wird ein kritisches Panoptikum der Einblicke in ein neues Zeitalter der nationalen Abenteuer, der Grenzen und sinnlosen Opfer versprochen.Doch wer ein ungeschminktes Bild dieser Zeit sucht, dieser Sehnsucht nach nationalem Pathos und einer faschistischen Kultur der sinnlosen Gewalt, der muss ein paar Kilometer weiter nach Osten reisen, nach Triest. In der riesigen Halle des alten Fischmarkts am Hafen zeigt die rechte Stadtregierung, was sie unter „Kultur“ versteht. Eine Ausstellung über D’Annunzios Abenteuer von Fiume.

Fiume, der einstige Mittelmeerhafen des habsburgischen Ungarns, heißt heute Rijeka – und der pathetische Dichter, der die Stadt nach dem Ersten Weltkrieg für Italien erobern wollte, ist zurecht im Kabinett der literarischen Merkwürdigkeiten der Jahrhundertwende entsorgt. Oder er wird wiederentdeckt, als Stammvater der neuen Rechten, die sich mit ihm als libertären Revolutionär schmücken möchte. Der Ausstellungskurator behauptet, D’Annunzios „Republik von Fiume“ hätte nichts mit dem Faschismus zu tun gehabt, sondern sei ein Experiment einer „anderen Demokratie“ gewesen, ein Aufbruch moderner Kultur und der Frauenemanzipation. Natürlich eine Grenzbastion, beseelt vom Nationalismus: schließlich sei es darum gegangen, die zurückgebliebenen slawischen Völker des Balkans in aller Freundschaft von der Überlegenheit der lateinischen Kultur zu überzeugen. Von moderner Kultur, Freiheit und Frauenemanzipation ist in der Ausstellung viel die Rede, aber nichts zu sehen. Wenn man von den Fotos einmal absieht, die D‘Annunzio bei seiner Lieblingsbeschäftigung zeigen: dem täglichen Rezitieren seiner Gedichte vor der aufmarschierten Freikorps-Soldateska, seines Männerbundes, mit dem er 1919 die Stadt im Handstreich übernommen hatte, gegen den Willen der italienischen Regierung.

Stattdessen häufen sich Orden und Devotionalien, die dem göttergleichen Dichter geweiht wurden, Waffen, noch mehr Waffen, und Orden, und Waffen und Fahnen, viele Fahnen, endlose viele Fahnen, die den Tod preisen. Einen ganz und gar sinnlosen Tod. Am Weihnachtsabend 1920 nahmen italienische Truppen dem Dichter die Stadt wieder weg, um sie mit Jugoslawien zu teilen, so wie es internationale Abkommen vorsahen. D’Annunzios Abenteuer hatte etwa 50 Menschenleben gekostet. Nur eine kleine Opfergabe auf dem Altar der Sinnlosigkeiten. Aber genug, um von den Rechtspopulisten gefeiert zu werden.

„Von moderner Kultur, Freiheit und Frauenemanzipation ist in der Ausstellung viel die Rede, aber nichts zu sehen.“

Hanno Loewy

hanno.loewy@vn.at

Hanno Loewy ist Direktor des ­Jüdischen Museums in Hohenems.

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