Tanz im mörderischen Kugelhagel

Vorarlberg / 06.09.2019 • 22:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Tanz im mörderischen Kugelhagel

Geschichte eines vermasselten Raubüberfalls und Mordversuchs der Osmanen Germania.

Feldkirch Es war am 21. Oktober 2016: Für das Vorarlberger Chapter der türkischen Rockerorganisation „Osmanen Germania“ begann eine erbärmliche Nacht voller Pleiten und Pannen.

Norbert Schwendinger, damals Leiter des Morddezernats, erinnert sich: „Der Vorarlberger Chef der Osmanen Germania hatte aus Bekanntenkreisen den Tipp bekommen, dass in einer Wohnung in Feldkirch eine große Menge Marihuana von hohem Wert zu holen sei.“

„Nimm eine Pistole mit“

Die kriminelle Energie erwachte, ein räuberischer Plan wurde gefasst. „Man kaufte zunächst Einbruchswerkzeuge in einem Markt ein. Der Drahtzieher sagte zu einem Komplizen noch, er solle eine Pistole mitnehmen“, blickt der Ex-Chefermittler zurück. Dann, am Abend der geplanten Tatausführung, schon die erste Panne: „Sie wollten den Coup als Quartett durchziehen“, so Schwendinger, „doch der vierte Mann erschien nicht. Es stellte sich heraus, dass er verschlafen hatte.“

„Oh Schreck, oh Graus“

Der Entschluss zur Durchführung des Überfalls stand dennoch fest, wenn jetzt auch nur zu dritt. So schritt das Trio zur Tat, um vor der besagten Wohnung in Feldkirch vom nächsten unerwarteten Malheur überrascht zu werden. „Als Männer zum geplanten Tatort kamen, stellten sie – oh Schreck, oh Graus – fest, dass in der Unterkunft Licht brannte. Sie waren nämlich davon ausgegangen, dass niemand anwesend war“, erzählt der ehemalige Morddezernatsleiter.

Und wenn schon, auch davon ließen sich die „Osmanen“ nicht erschüttern. Trotz anwesendem Bewohner versuchte einer der Täter, mit dem Brecheisen die Terrassentüre zu knacken. Es war ein vergebliches Bemühen. Die Serie der „Störfälle“ setzte sich fort, als ein weiterer Komplize den Bewohner von außen mit vorgehaltener Pistole zwingen wollte, die Türe zu öffnen. Schwendinger: „Doch der Bedrohte schrie vom Balkon aus in verzweifelter Panik um Hilfe, die erfolglosen Räuber bekamen Muffensausen und suchten schließlich das Weite.“

Doch erst dann, auf den Straßen von Tisis, sollte die pannenträchtige Kette des missglückten Vorhabens ihren endgültigen Zenit erreichen.

Projektilen ausgewichen

„Die Polizei war bereits verständigt. Während sich zwei der Männer hinter einem Gebüsch versteckten, lief der Dritte in Richtung Spital“, sagt der Ex-Chefermittler. Dann kam ein wahrer Held ins Spiel. Ein 40-jähriger brasilianischer Anwohner, besorgt um seine Nachbarn, hielt den Flüchtenden auf. Dieser machte kehrt, wurde von dem Passanten verfolgt, sprang über einen Zaun und flüchtete über Stock und Stein über eine Wiese in die dunkle Nacht.

Die im Gebüsch versteckten Täter beobachteten dies mit Schrecken. Schließlich standen sie auf. Einer von ihnen zog die Pistole. Schwendinger: „Er eröffnete gezielt mit drei Schüssen das Feuer auf den Passanten, doch die Kugeln verfehlten ihr Ziel.“ Der Grund: Der Brasilianer beherrscht den Kampftanz „Capoeira“ und wich den Projektilen durch seine sekundenschnellen Bewegungen aus.

Dann verloren auch die restlichen Täter die Nerven und liefen von dannen. Doch nach drei Monate andauernden akribischen Ermittlungen führte die Polizei am 19. Jänner 2017 eine Großaktion durch, bei der alle Beschuldigten festgenommen wurden. Damit war gleichzeitig das Schicksal des Vorarlberger „Osmanen Germania“-Chapters besiegelt. Die Männer wurden später zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Der Haupttäter fasste unter anderem wegen versuchten Mordes 15 Jahre Gefängnis aus.

VN-Bericht vom 22. Oktober 2016.

VN-Bericht vom 22. Oktober 2016.

Zur Person

Norbert Schwendinger

Ehem. Chef­ermittler in 28 vollendeten und 60 versuchten Mordfällen in Vorarlberg, seit dem 1. August in Pension

Geboren 5. Dezember 1958

Familie in Lebensgemeinschaft,
zwei Kinder

Lesen Sie im nächsten Teil: Brutales Kidnapping und Folter eines Gaschurners.

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