Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

SOS Demokratie

Vorarlberg / 07.09.2019 • 09:59 Uhr

Die neue Volkspartei von Sebastian Kurz wird aus heutiger Sicht gestärkt aus der Nationalratswahl hervorgehen. Und zwar doppelt: Während sie selbst sehr wahrscheinlich zulegen wird, werden Sozialdemokraten und Freiheitliche eher verlieren. Das bedeutet, dass sie in Zukunft die wirklich einzige Großpartei sein wird. Umso schwerwiegender ist der Hackerangriff auf sie und umso bedenklicher ist ihr Umgang damit. Rechnernetzwerke von Banken, Unternehmen und Vereinen werden ständig attackiert. Relativ selten aber passiert das so professionell und gezielt wie das nun bei der ÖVP der Fall gewesen sein dürfte.

Der Hackerangriff ist alarmierend. Zuspitzungen erübrigen sich. Und überhaupt.“

Über das Motiv kann man genauso rätseln wie über die Hintermänner (oder -frauen). Fakt ist: Hier geht es um ein Schwerverbrechen, das aufgeklärt und abgestraft werden muss. Und überhaupt: Wichtig ist auch, zu verhindern, dass Politik zu einer Art Cyberwar verkommt. Würde sie das tun, wäre es um die Demokratie geschehen.

Spekulationen

Soll heißen: Zu sagen, dieser Hackerangriff sei für sich genommen „schlimm genug“, ist eine Untertreibung. Er ist alarmierend. Zuspitzungen, die zu den wildesten Spekulationen anregen, erübrigen sich jedenfalls. Ziel sei es gewesen, Daten zu verfälschen, behauptete Kurz beispielsweise. Tatsächlich? Das lässt sich weder bestätigen noch dementieren: Laut dem Experten, der die Sache untersucht hatte, wäre es den Angreifern möglich gewesen, Verfälschungen vorzunehmen. Ob welche vorgenommen wurden, ist offen. Das ist ein wichtiger Punkt. Und zwar im Hinblick darauf, dass in den letzten Wochen sehr viele Informationen aus der ÖVP bekannt geworden sind, die zumindest unangenehm sind für die Partei. Sie hat demnach etwa Großspenden gestückelt. Damit mussten sie nicht gleich veröffentlicht werden. Diese Vorgangsweise ist mittlerweile bestätigt. Sie widerspricht der Transparenz und Offenheit, die Kurz einst angekündigt hat. Genauso wie der Ausschluss einer Journalistin von seinem Pressegespräch zum Hackerangriff in einem Spannungsverhältnis dazu steht.

Selbstjustiz

Die Frau ist stellvertretende Chefredakteurin des „Falter“. Der Zeitung waren Daten zugespielt worden, diese Woche berichtete sie darüber. Botschaft: Die ÖVP, die 2017 fast doppelt so viel für den Wahlkampf ausgegeben hat wie gesetzlich erlaubt, wolle Kosten diesmal verschleiern. Die Partei wies dies umgehend zurück, kündigte Klage an – und schritt nun eben zur Selbstjustiz, indem sie den „Falter“ von einem Pressegespräch ausschloss.
Das sowie die intransparente Parteienfinanzierung sind keine Kriegserklärungen an die Demokratie in dem Maße, wie es großangelegte Cyberattacken sind. Auch sie sind jedoch unerträglich. Vor allem, wenn sie von der Partei praktiziert werden, die schon bald de facto allein bestimmend sein wird in diesem Land.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.