Graubraune Würfel überall
Im Ländle war ich auch wieder mal, zweimal sogar, einmal für eine lauschige Lauterach-Lesung und für Heimaturlaub, dann noch einmal, weil ich die Laudatio zum Russ-Preis halten durfte: Nochmal herzliche Gratulation Susanne Marosch, so verdient.
Immer wieder gratuliere ich auch Vorarlberg zu seiner fantastischen, modernen Holzbau-Architektur. Aber. Ich muss jetzt einmal was sagen, auch wenn ich es kaum wage, denn als in die Hauptstadt exilierte Tochter habe ich schnell gelernt, dass man mit dem Umzug auch das Recht verwirkt hat, kritische Einwände gegen Vorgänge und Gepflogenheiten in der alten Heimat zu erheben. Kommt dreimal im Jahr ein paar Tage und reißt dann sMuul uf: Man lässt das schnell sein. Aber, wie gesagt.
„Es ist schon klar: es braucht verdichtete Bauweise, es braucht genug leistbaren Wohnraum.“
Ich hörte nämlich, Verwandtschaft habe in einem ganz neu errichteten Mehrparteienhaus in der Gegend eine Wohnung bezogen, hielt Ausschau nach dem neuen „Blöckle“ und entdeckte es erst beim dritten Vorbeiradeln, weil es so gar nicht wie ein neues Haus aussah. Ein unauffällig-hässlicher Betonwürfel, der überall auf der Welt ganz ähnlich auch schon in den achtziger Jahren errichtet worden sein könnte. Das liegt unter anderem an der offenbar neuen Vorarlberger Lieblings-Verputzfarbe: zartes Schlammbraun. Nein, mehr so ein Schmutzwassergraubraun. Nicht das Braun von frischem oder im Wetter ergrauenden Holz, sondern die Farbe von im Wasser aufgelöstem Dreck. Ich nehme an, diese Farbe ist deshalb so beliebt, weil: isch ned hoaklig, im Gegensatz zu Schnee- oder Cremeweiß, das wird ja so schnell schmutziggrau, verputzen wirs gleich naturschmutzfarbig, ist unauffällig und man muss es die nächsten hundert Jahre nicht neu streichen. Als Alemannin habe ich pragmatische, geld- und arbeitssparende Herangehensweisen im Blut, und ich höre auch, drinnen soll es luftig, hell und einladend sein, aber außen: hmm. Und diese Würfel wachsen jetzt überall aus der grünen Wiese, es scheint sich um das aktuelle Vorarlberger Standard-Blöcke-Modell zu handeln.
Oh ja, es gibt immer noch die famosen, innovativen Architektinnen und Architekten in Vorarlberg mit beeindruckend geplanten, modernen Bauten. Aber diese braunen Würfel nehmen derzeit überhand, so kommts mir beim Durchfahren jedenfalls vor.
Es ist schon klar: es braucht verdichtete Bauweise, es braucht genug leistbaren Wohnraum. Aber muss er zwingend so ausschauen? Und es gibt ja auch positive Gegenbeispiele: Wohnanlagen aus Holz im weltgepriesenen Vorarlberger Holzbaustil, warm und einladend. Aber das baut offenbar fast nur noch die öffentliche Hand. Sonst: graubraune Würfel. Ich wags und sags: Sie machen das Ländle nicht schöner.
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.
Kommentar