Bedingte Einweisung als Chance auf Freiheit

Insgesamt neun Mal ermöglichte Vorarlbergs Justiz 2018 psychisch Kranken diese Option.
Feldkirch Der 36-Jährige ist höflich und eloquent, zeigt sich kooperativ und freundlich. „Ich glaube, ich bin ein bisschen verrückt“, schätzt er sich selbst ein. Er arbeitet als Küchenhilfe, hat zwei Vorstrafen, und immer wieder sorgen Aktionen, die für Außenstehende keinen Sinn machen, für Ärger und Polizeieinsätze. Einmal stiehlt der Mann auf ganz auffällige Weise eine Steige Marillen und legt sich mit der Polizei an, deren Einsatz er, so gibt er selbst zu, provozieren wollte.
Ein anderes Mal spaziert der schlanke Mann über Autodächer, steigt sogar den Exekutivbeamten aufs Dach ihres Dienstfahrzeuges und hat das nächste Verfahren am Hals. Bei einem fünfmonatigen Haftaufenthalt kommt es wieder zu einem Zwischenfall. Eine psychiatrische Begutachtung ergibt rasch, was mit dem Menschen nicht stimmt: er leidet an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung.
Erfolgreiche Behandlung
Als klar ist, dass der Mann psychisch krank ist, kann mit dessen Behandlung begonnen werden und die spricht bei ihm gut an. Er macht einen vernünftigen Eindruck, seit Längerem ist nichts mehr passiert und man ist verleitet, alle Vorfälle zu vergessen. Die Justiz trägt diesem Wunsch seit einer Gesetzesnovelle von 2002 Rechnung. Allerdings gibt es diverse Begleitmaßnahmen. Bei psychischen Störungen, bei denen ein Täter schuldunfähig ist, wird von der Staatsanwaltschaft in der Regel ein Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gestellt. Ist eine stationäre Anhaltung aus psychiatrischer Sicht wegen Eigen- oder Fremdgefährdung unumgänglich, fasst das Gericht einen derartigen Beschluss. Hat sich der Zustand eines Patienten allerdings wesentlich gebessert, besteht die Möglichkeit, dass andere Maßnahmen zum Zug kommen. Insgesamt neun Mal machte das Landesgericht Feldkirch im vergangenen Jahr von der Möglichkeit der bedingten Einweisung Gebrauch. In diesem Jahr waren es bislang drei bedingte Einweisungen.
Die Zeit hilft
Die vor Gericht Stehenden heißen im Unterbringungsverfahren „Betroffene“, was klar macht, dass ihnen keine Schuld zukommt. Häufig liegt zwischen der Anlasstat und dem Gerichtsverfahren eine längere Zeitspanne. Zeit, die durch psychiatrische Behandlung und soziales Management wie Wohngemeinschaften und Betreuung genutzt werden kann. Ist der psychisch Kranke bereit, weiterhin den Facharzt aufzusuchen, sich psychosozial betreuen zu lassen und seine Medikamente zu nehmen, bleibt ihm eine Unterbringung in der Psychiatrie unter Umständen erspart. Depotmedikamente erlauben einen gewissen Spielraum. Nur selten scheitert dieses Konzept.
Erfährt das Gericht über die regelmäßigen Berichte, dass sich der Betroffene nicht an die Regeln hält, ist eine Unterbringung in der Psychiatrie jedoch unumgänglich.
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