Von Bettgehern und Schlafgängerinnen

Neues Buch „Halb Hard – Die Zuwanderung aus dem Trentino“.
hard Emilio Bagatoli, Jahrgang 1885, aus Cavedine, 1910 Hilfsarbeiter bei der Firma Jenny in Hard, war „Bettgeher“ im Haus Am See 337. Berlia Bazzetto aus Castelrotto, Jahrgang 1890, war im Jahr 1910 in Hard Hilfsarbeiterin in der Kottondruckerei sowie zusätzlich als Magd tätig. Als Wohnadresse wird Kirchgasse 160 angegeben und „Bettgeherin“. Die Zwirnerin Sabine Dematie, Jahrgang 1891 aus Trient, gemeldet im Haus Reichsstraße 384 als „Schlafgängerin“.
„Bettgeher“ und „Schlafgänger“. Das bedeutet, dass die Betreffenden über keine eigene Wohnung, über kein Zimmer verfügten. Sie durften gegen ein kleines Entgelt einige Stunden in einem fremden Bett schlafen, wenn der eigentliche Bettbenützer es nicht nutzte.
Die damaligen Arbeitsbedingungen beschreibt die „Fabrik-Ordnung“ der Kammgarnspinnerei aus dem Jahr 1896. „Die Arbeitszeit beträgt elf Stunden. An Sonntagen werden nur Säuberungs- und Instandhaltungsarbeiten . . . vorgenommen.“
Buch „Halb Hard“
Diese Fabriksordnung, die Angaben zu den Zuwandererfamilien aus dem Trentino sowie weitere Beschreibungen der Situation in Hard zwischen 1870 und dem Ersten Weltkrieg und zahlreiche Illustrationen finden sich im neuen Buch „Halb Hard – Die Zuwanderung aus dem Trentino“. Das Werk bietet einen tiefen Einblick in diesen bedeutsamen Aspekt der Geschichte der Marktgemeinde Hard. Im Auftrag von Joe Armellini haben die beiden Historiker Gemeindearchivarin Dr. Nicole Ohneberg und Prof. Mag. Meinrad Pichler zum einen die detaillierte Geschichte etlicher Harder Trentiner durchforstet. Ebenso finden sich aber auch zahlreiche Belege für die allgemeine Lage der Familien, ihrer Arbeits- und Lebenssituation. Der Grafiker und Buchgestalter Peter Motter sorgte für ein ansprechendes Erscheinungsbild des Werkes zur Ortsgeschichte.
Breite Unterstützung
Die Harder Ortschronistin Nicole Ohneberg betonte bei der Buch-Vorstellung, dass nur dank der Unterstützung durch viele Nachfahren der Trentiner in Hard das Werk so lebensnah gestaltet werden konnte.
Den Menschen ein Gesicht geben
Meinrad Pichler erläuterte, wie wichtig es ist, die Zuwanderer aus dem einstigen „Welschtirol“ nicht nur als anonyme Gruppe zu sehen. Die Frauen, Männer und Kinder gehören zur Geschichte von Hard und haben es verdient, Namen und Gesicht zu erhalten. Es finden sich detaillierte Ergebnisse von Volkszählungen ebenso wie ausführliche Angaben zu mehreren Trentiner Familien in Hard. Armellini, Biatel, Bonetti, Carraro, Debortoli, Defranceschi, Gonner, Lorenzini usw. – die meisten von ihnen haben Nachfahren in Hard. Das Buch „Halb Hard“ ist im Harder Rathaus erhältlich. ajk
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