Herumgemosert: Das erste Wahlergebnis

Vorarlberg / 27.09.2019 • 10:00 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
Herumgemosert: Das erste Wahlergebnis
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Nachdem der erste Wahlkampf der Republik vor 100 Jahren sehr intensiv abgelaufen war, blieb die Stimmung zwischen den Parteien auch nach dem Urnengang giftig. Österreichweit waren zwar die Sozialdemokraten mit 40,8 Prozent stimmenstärkste Partei geworden, in Vorarlberg kamen jedoch die Christlichsozialen auf 55,8 Prozent, die Sozialdemokraten hingegen nur auf 19,6 Prozent. Die große Wahlverliererin war aber die Deutsche Volkspartei, die nur 12,3 Prozent und damit keines der vier damals in Vorarlberg zu vergebenden Mandate errang. Die Partei hatte sich während des Ersten Weltkrieges lange für eine Fortsetzung der Kampfhandlungen und später gegen den Anschluss an die Schweiz eingesetzt. Die siegreichen Christlichsozialen schickten neben dem späteren Vizekanzler Jodok Fink den Lehrer Emil Schneider und den Bauern Michael Jutz nach Wien. Die Sozialdemokraten entsandten ihr Gründungsmitglied, den gelernten Sticker Hermann Hermann.

Die Großdeutschen schwiegen ihre Niederlage zunächst tot. Ihr Parteiorgan, das „Vorarlberger Tagblatt“, machte zwei Tage nach der Wahl mit einer Geschichte „Über Ausgaben und Ziele der Forstwirtschaft“ auf. Die nächste Ausgabe brachte auf der dritten Seite kommentarlos eine Liste mit den Wahlergebnissen. Erst fünf Tage nach der Wahl kam das Eingeständnis „an die geehrten Wählerinnen und Wähler der Deutschen Volkspartei in Vorarlberg“: „Der Wahlkampf ist vorüber, wir sind in demselben unterlegen“. Selbst in der Hochburg Lustenau hatte man nur 15,1 Prozent gemacht. Die sozialdemokratische „Vorarlberger Wacht“ konstatierte eine „vernichtende Niederlage“ der Großdeutschen. Ihr Kandidat sei durchgefallen, seine Partei habe im Wahlkampf vor „den gemeinsten und frechsten Lügen“ nicht zurückgeschreckt.

Den Schwarzen richtete das rote Parteiblatt aus, sie hätten nur mithilfe der Geistlichkeit und „einer skrupellosen, an Gemeinheit alles bisher Dagewesene übersteigenden“ Wahlwerbung gewonnen. Das schwarze „Volksblatt“ war naturgemäß der Überzeugung, dass die Vorarlberger „am Wahlsonntag gesunden politischen Geist bewiesen“ hätten. Ein wesentlicher Grund für den Erfolg der Partei waren die Stimmen der erstmals wahlberechtigten Frauen. Man habe zwar nicht „drängend nach dem Frauenwahlrecht gerufen“, so das Volksblatt, das „schwache Geschlecht“ habe sich aber „als stark erwiesen“: „Seine Interessen sind gewachsen, der Blick wurde geweitet, der Verstand geschärft.“ Trotz Wahlsieg konnte man sich gewisse Spitzen gegen die politischen Mitbewerber nicht verkneifen: Die Großdeutschen seien die eigentlichen Kriegstreiber gewesen, die Sozialdemokratie sei „die Sammelstelle, in der die Überdrüssigen landen“.

Moritz Moser stammt aus Feldkirch, lebt und arbeitet als Journalist in Wien. Twitter: @moser_at

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