Jetzt Landtagswahl
Den Rahmen der möglichen Erwartungen hat die Nationalratswahl nicht gesprengt. Dass die meisten Wählerinnen und Wähler die Frage „Kurz, wer sonst?“ klar beantwortet haben, war keine Überraschung. Die Frage, wer unser Land auch künftig führen soll, war bekanntlich alternativlos. Im Verhältnis zu den Inhalten ihrer Skandale kam die FPÖ mit einem Minus von zehn Prozentpunkten noch verhältnismäßig glimpflich davon, sie hat eben eine treue Stammwählerschaft. Bei der Salzburger Landtagswahl 2013 beispielsweise wurde nach dem Spekulationsskandal die SPÖ mit minus 16 Prozentpunkten abgestraft. Die Grünen hatten den Turbo-Effekt von Greta Thunberg und einen stimmigen Spitzenkandidaten, am inhaltlichen Angebot der SPÖ und der Neos war das Klima-Thema ohne wesentliche Spuren vorübergegangen.
Die Fernsehdiskussionen am Wahlabend haben die Vermutung verstärkt, dass Sebastian und Pamela wohl (verständlicherweise) kein Paar werden wollen. Die FPÖ als neuerlicher Koalitionspartner wurde vom Wähler dezimiert und hat sich selbst aus dem Rennen genommen, mit den inhaltlich naheliegenden Neos geht es sich rechnerisch nicht aus. Da bleibt also nur eine hindernisreiche Koalition mit den Grünen oder eine Minderheitsregierung. Inhaltliche Zugeständnisse an die Grünen könnten Kurz zum zweiten Mal als Regierungschef ganz neuer Art positionieren.
Für Vorarlberg lässt sich das Landesergebnis nicht auf die Landtagswahl übertragen. Aus Sicht der ÖVP hoffentlich nicht. Ihr Stimmenanteil liegt ganz im Gegensatz zu früher gerade im Bundesdurchschnitt (10 Prozent unter Salzburg und Tirol) und der Stimmenzuwachs liegt deutlich darunter (in vier Ländern war er dreimal so hoch). Sie kann aber aus guten Gründen auf die Frage vertrauen „Markus Wallner – wer sonst?“ und darauf, dass sie klare weltanschauliche Konturen hat. Die Landesratsambitionen des neuen FPÖ-Obmanns haben sich angesichts der Turbulenzen in seiner Partei offenkundig von selbst beantwortet. Ob die Grünen das Wahlmotiv „Es braucht uns jetzt erst recht wieder im Nationalrat“ auf das Land übertragen werden, ist eine spannende Frage. Es ist durchaus möglich, dass grün-affinen Wählern der Wiedereinzug in den Nationalrat ein größeres Anliegen war, als es die Sicherung der Landesregierungssitze der Grünen sein wird. Überdurchschnittlich gut haben in Vorarlberg mit 12,8 Prozent die Neos abgeschnitten, sie spielen jetzt in derselben Liga wie FPÖ, Grüne und SPÖ. Wenn sie rechnerisch als Regierungspartner der ÖVP infrage kommen, was durchaus möglich ist, vergrößert es den Verhandlungsspielraum der ÖVP ganz wesentlich. Diese Qual der Wahl wird für die ÖVP als weiterhin klare Führungskraft im Lande erträglich sein.
„Diese Qual der Wahl wird für die ÖVP als weiterhin klare Führungskraft im Lande erträglich sein.“
Jürgen Weiss
juergen.weiss@vn.at
Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.
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