Das Rauchverbot kommt: “Wie ein Vegetarier im Steakhouse”

Vorarlberg / 30.10.2019 • 20:00 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Das Rauchverbot kommt: "Wie ein Vegetarier im Steakhouse"
Er nennt sich Bob Deauville und hofft zumindest auf Raucherklubs und CBD-Coffeeshops. VN/PAULITSCH

Im Dornbirner Nachtleben ändert sich bald einiges, wie ein abendlicher Rundgang durch die Bars zeigt.

Dornbirn Es ist warm an diesem Dienstagabend in der Klappe in Dornbirn. Bob Deauville, wie er sich nennt, ist das egal. Er behält seine schwarze Lederjacke an, eine schwarze Wollmütze bedeckt sein Haar, ein dunkler langer Bart sein Gesicht. Bob Deauville lehnt sich lässig an einen Tisch. Er zieht genüsslich an seiner Zigarette, gegenüber sitzt ein Kumpel, der Motorradvideos auf seinem Handy ansieht. Die beiden fachsimpeln. Aus dem Lautsprecher raunt Sven Regener seine Verse in die Ohren der 30 Gäste, die die Bar in blauen Dunst tauchen. Fast jeder raucht. „Hast du Feuer?“, fragt Bob Deauville. Bald darf er nicht mehr rauchen. Der lässige Typ wird zum Polterer: „Das ist Bevormundung!“ Und: „Ich wünsche mir mehr Toleranz.“ „Ich bin dagegen!“ Nach 40 Minuten hat die Barkeeperin zweimal den Aschenbecher vor seiner Nase geleert. Das muss sie bald nicht mehr. Ab 1. November darf in der Klappe, wie in allen Gastronomiebetrieben Österreichs, nicht mehr geraucht werden. Bob Deauville tobt, andere sehen es gelassener, wie ein Streifzug durch Dornbirns Nachtleben zeigt. Die größte Sorge gilt den Nachbarn.

"Das ist Bevormundung!" VN/Paulitsch
“Das ist Bevormundung!” VN/Paulitsch

Ilkkan steht hinter dem Tresen, sein Blick schweift durch den Gastraum. 20 Gäste sind hier und lauschen Sean Paul. „Am Wochenende ist es voll“, erzählt Ilkkan. Wie es diesen Samstag sein wird, wagt er nicht zu prognostizieren. Die Hälfte des Umsatzes macht die Orient-Lounge mit Wasserpfeifen. „Ich werde wohl Mitarbeiter abbauen müssen“, befürchtet er.

Rund 500 Shisha-Bars gibt es in Österreich. Das Rauchverbot wäre ihr Ende. Ilkkan kann nicht verstehen, wo das Problem liegt, schließlich müssen Nichtraucher seine Shisha-Bar ja nicht besuchen: „Das ist, als würde ein Vegetarier in ein Steakrestaurant gehen und sich beschweren, dass es dort Fleisch gibt.” Der Barchef hofft auf den Verfassungsgerichtshof. Die Shisha-Betreiber Österreichs wollen dort eine Ausnahme erreichen. Bis zu einem Richterspruch könnten jedoch Wochen, wenn nicht Monate vergehen.

"Ohne Shisha ist es langweilig." VN/Paulitsch
“Ohne Shisha ist es langweilig.” VN/Paulitsch

Die Wasserpfeifen auf den Tischen verbreiten einen süßlichen Duft. Auch vor Amra, Hilal und Ceyda steht eine, Limette-Minz-Geschmack. Die Aschenbecher sind leer, sie rauchen keine Zigaretten. „Wir sind oft hier. Shisha-Bars sind eine der wenigen Attraktionen für junge Menschen in Vorarlberg“, ist Ceyda überzeugt. „Ohne Shisha wäre es langweilig.“ Ceyda sieht aber auch etwas Positives: „Shisha rauchen ist teuer. Das spart man sich nun.“

Ilkkan hat noch eine weitere Befürchtung: die Nachbarn. „Das ist dann das Problem der Stadt, des Landes und des Staates. Wenn in zehn Lokalen 50 Gäste rausgehen, um zu rauchen, stehen in Dornbirn 500 Menschen im Freien.“

Auf dem Weg zur nächsten Bar liegt das Restaurant Gabriels Cucina. Fünf Personen drängen sich unter das kleine Vordach am Eingang. Sie rauchen.

Im Innauer ist nicht mehr viel los an diesem Tag. Dass man bald nicht mehr rauchen darf, bereitet hier keine Sorgen; zumindest oben. In der Vakanz im Keller sieht es anders aus. Zum Rauchen müssen die Gäste die Treppe rauf und vor die Tür, was bei Nachbarn nicht unbedingt für Freude sorgen dürfte. Wer ab zwei Uhr den Klub verlässt, kommt sowieso nicht mehr rein. Für die Gäste hat es sich ab diesem Zeitpunkt ausgeraucht. Das benachbarte Bierlokal ist schon einen Schritt weiter. Dort darf seit einem Jahr nicht mehr geraucht werden. Einbußen habe es nicht gegeben, erzählt der Barkeeper. Es duftet nach Schnitzel.

Keine Einbußen trotz Rauchverbots im Bierlokal. VN/Paulitsch
Keine Einbußen trotz Rauchverbots im Bierlokal. VN/Paulitsch

Das Mr. Jones gehört zur Dornbirner Innenstadt wie das Feuerzeug zum Raucher. Hier rätseln die Barbetreiber, wie sie mit Rauchern, die vor die Tür gehen, umgehen sollen. Am Tisch sitzen Stammgäste. Nichtraucher Niki mit Sabrina und Steffi, zwei Raucherinnen, die selbst in der Gastronomie arbeiten. Niki stört der Rauch nicht. Während Shakira fröhliche Töne verbreitet, fällt er ein vernichtendes Urteil: „Die Bananenrepublik Österreich hat versagt.“ Das Trio würde sich Wahlfreiheit der Gastronomen wünschen.

"Bananenrepublik Österreich!" VN/Paulitsch
“Bananenrepublik Österreich!” VN/Paulitsch

In der nahe gelegenen 7er-Bar sieht man es gelassen. „Es ist jetzt halt so. Die Jungen sehen das weniger kritisch. Aber das Thema nervt langsam“, sagt die Barkeeperin und widmet sich gut gelaunt durstigen Gästen und dem Zapfhahn. Eine Gruppe sitzt im hinteren Eck der Bar, gegenüber der Glasscheibe, die einst das Raucherkämmerchen abtrennte – jetzt darf man dahinter nicht rauchen, davor hingegen schon.

Die Truppe sitzt fast täglich hier und diskutiert. Alle rauchen, doch beim Rauchverbot sind sie sich uneins. „Wenn man in ein Raucherlokal geht, muss man sich damit abfinden“, sagt eine junge Frau. Ihr Gegenüber widerspricht: „Das Rauchverbot ist progressiv.“ Sein Kollege nickt. Mit der Zigarette in der Hand betont er: „Halb Europa hat es auch geschafft.“ Ein Nebenmann entgegnet: „Das ist Schikane!“ Zumindest Nachtlokale sollten ausgenommen sein. Nachsatz: „Und Shisha-Bars. Die können sonst ja gar nicht mehr überleben.“ Die Runde stimmt zu. Die Stammgäste werden auch nach dem 1. November ihre Bar besuchen. „Dann rauche ich weniger“, freut sich einer.

"Das Rauchverbot ist progressiv." VN/Paulitsch
“Das Rauchverbot ist progressiv.” VN/Paulitsch

Runde beendet. Auf dem Bahnsteig am Dornbirner Bahnhof darf seit einigen Jahren nicht mehr geraucht werden. Ein Pärchen wartet 20 Meter vom Raucherbereich entfernt auf den Zug. Beide qualmen, nichts geschieht. Hier ist es wohl eher eine Richtlinie als eine Regel.