Wie Osteuropäerinnen Pflege im Land sichern

Das Pflegesystem ist stark von Osteuropäerinnen abhängig. Helena Omaskova ist eine von Tausenden 24-Stunden-Betreuerinnen in Vorarlberg.
Lustenau, Bregenz In der warmen Stube des Einfamilienhauses in Lustenau hilft Helena Omaskova ihrer Klientin Silvia Winkler beim Aufstehen. An den Wänden ein Foto der Kinder und Enkel, auf einem Kasten zeigt die rüstige Seniorin stolz ein Bild von ihr mit dem Lustenauer Bürgermeister. Vor drei Jahren trat Pflegerin Omaskova in das Leben von Silvia Winkler. Die Slowakin kümmert sich Tag und Nacht um die 90-Jährige. Sie kocht, sie putzt, sie hilft ihr beim Waschen und Anziehen. Ihr Zimmer befindet sich im oberen Geschoß des Hauses, sie ist immer in Bereitschaft. „Helena kümmert sich mit viel Geduld und liebevoll um mich“, weiß Frau Winkler zu schätzen. „Auch wenn es anfangs natürlich eine Umstellung war, jemand Fremdes im Haus zu haben“ Nach dem Tod ihres Mannes war sie 16 Jahre lang allein. Ein Pflegeheim kommt für die Seniorin nicht in Frage. Für die 90-Jährige war es wichtig, weiterhin in der gewohnten Umgebung zu leben, deswegen entschied sie sich vor drei Jahren für eine 24-Stunden-Betreuung.
Helena Omaskova war 49 Jahre, als sie sich vor zehn Jahren entschied, nach Österreich zu kommen. In der Slowakei war sie Kinderkrankenschwester. Vermittelt wurde sie über eine Agentur in Tschechien, zuerst nach Oberösterreich, ehe sie vor fünf Jahren ihre Arbeit in Vorarlberg aufgenommen hat. Im Drei-Wochen-Turnus wechselt sie seither zwischen Vorarlberg und ihrer Heimat. „Deutsch hatte ich ein wenig in der Schule vor über 40 Jahren. Bevor ich nach Österreich gekommen bin, habe ich es mir mit Kinderbüchern selbst beigebracht“, erklärt sie.

Dringendes Zukunftsthema
Helena Omaskova wurde über den Betreuungspool Vorarlberg vermittelt. Das bezahlte Tageshonorar bleibt – anders als bei der Vermittlung über Agenturen – zur Gänze bei ihr. Wie viel die 59-Jährige in ihrem Mammut-Job verdient, will sie nicht sagen. Es reiche jedenfalls, um ihre vier Kinder in der Slowakei bei ihrer Ausbildung finanziell zu unterstützen. „Es ist mit Vorarlbergern vergleichbar, die nach Liechtenstein oder in die Schweiz gehen, um besser zu verdienen.“ Ob sie manchmal Heimweh hat? „Nein. Früher, als meine Kinder noch klein waren, wäre das aber sicher anders gewesen.“ Die Pflege älterer Mitbürger ist laut zahlreicher Experten eines der dringendsten Zukunftsthemen, gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel und der damit einhergehenden Alterung der Gesellschaft.
In Vorarlberg verdeutlichen das die Zahlen aus dem Jahresbericht 2018 der Plattform “Betreuungs- und Pflegenetz Vorarlberg”. Demnach wurden 198.576 Betreuungstage im Vorjahr allein durch Personenbetreuerinnen und -betreuer des Betreuungspools abgewickelt. Das entspricht einer Steigerung um rund 19 Prozent im Vergleich zu 2017. In diesen Zahlen sind die als selbstständig angemeldeten Personenbetreuerinnen und die Agenturen noch nicht eingerechnet.
Das ganze Pflegesystem würde ohne Pflegekräfte aus Osteuropa wohl zusammenbrechen. Für Vorarlberg gibt es laut Auskunft des Sozialministeriumsservice auf VN-Anfrage keine statistische Auswertung über die Nationalität der Pflegenden. „Aber auch bei uns kommt der allergrößte Teil der 24-Stunden-Pflegekräfte aus Osteuropa“, bestätigt Martin Herburger, Leiter des Fachbereichs Senioren und Pflegevorsorge im Amt der Landesregierung. Österreichweit gibt eine Anfragenbeantwortung des Sozialministeriums im Vorjahr Aufschluss über die geförderten 24-Stunden-Betreuerinnen.
Demnach stammen österreichweit mehr als vier Fünftel der 24-Stunden-Pfegerinnen aus der Slowakei und Rumänien. In 22.200 Fällen handelt es sich um Rumäninnen, in 15.000 Fällen um Slowakinnen. Rund 2400 Pflegerinnen kamen aus Ungarn, 2800 aus Kroatien und nur 96 waren Österreicherinnen. Auch in dieser Statistik wurden die selbstständig tätigen Pflegerinnen und Pfleger nicht berücksichtigt.
Steigender Bedarf
Fest steht, dass der Bedarf an 24-Stunden-Pflegekräften in Vorarlberg weiter steigen wird. „Auch die aktuellen Zahlen für 2019 weisen eine Zunahme auf“, bestätigt Herburger. In Vorarlberg reagierte die Landesregierung nach Abschaffung des Pflegeregresses und dem damit einhergehenden Druck auf die Pflegeheime mit einer Förderung von 7,5 Millionen Euro, um das Ungleichgewicht zwischen stationärer Betreuung und Pflege daheim abzufedern.
Silvia Winkler ist jedenfalls dankbar für die Betreuung durch Helena Omaskova. Wie lange diese noch hier arbeiten möchte? Sie überlegt kurz: „Bis nächstes Jahr, dann könnte ich in Pension gehen. Wie es aber wirklich kommt, weiß nur Gott.“
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