VN-Podcast: “Es tauchen mehr unter, als abgeschoben werden”

Vorarlberg / 15.02.2020 • 06:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
VN-Podcast: "Es tauchen mehr unter, als abgeschoben werden"
Bernd Klisch im Interview für die VN-Woche. VN/Steurer

Laut Bernd Klisch gibt es im Durchschnitt in den Caritas-Quartieren zwei bis drei Abschiebungen im Monat. Etwas mehr Menschen tauchen allerdings unter, erzählt er im Podcast VN-Woche.

Feldkirch Es gibt mehr Untergetauchte als Abschiebungen, erzählt Bernd Klisch im Gespräch für die VN-Woche. Die Sprache sei schärfer, aber die Polarisierung schwächer geworden. Die Integration in den Arbeitsmarkt funktioniere, betont der Leiter der Caritas-Flüchtlingshilfe. Außerdem spricht er in der VN-Woche über das Gerücht, alle Flüchtlinge würden Handys bekommen. Er erklärt, was die Bluttat an der BH Dornbirn für die Arbeit der Caritas Flüchtlingsbetreuung bedeutet und schildert allgemein, wie das Asylsystem in Österreich funktioniert. Vom Begriff “Flüchtlingskrise” hält er nichts, von “illegaler Migration” noch viel weniger.

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Eine Kurzfassung des Gesprächs zum Nachlesen:

Sie leiten seit 2015 die Caritas-Flüchtlingshilfe. Wie hat sich die Stimmung seit damals verändert?

Die Sprache hat sich verändert. 2015 und 2016 haben wir von Flüchtlingen gesprochen, also von Menschen, die vor etwas geflohen sind. Jetzt sprechen wir von illegaler Migration. Das ist zwar inhaltlich richtig, aber assoziiert bestimmte Vorstellungen. Illegal rückt die Menschen an die Grenze zur Kriminalität.

Inhaltlich richtig, weil es keine Möglichkeit gibt, einen Asylantrag in Österreich zu stellen?

Damit jemand einen Antrag stellen kann, muss er persönlich nach Österreich kommen. Das geht wegen der Dublin-Verordnung fast nur illegal. Es ist eigentlich ein schlechter Witz, wenn man von illegaler Migration spricht. Theoretisch dürften wir dann gar keine Flüchtlinge haben, obwohl Österreich die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat. Wir müssen also Menschen Schutz gewähren. Das geht aber nur, wenn man illegal ins Land kommt. Das ist paradox.

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Wie hat sich die Stimmung geändert?

Die Polarisierung vom Anfang hat sich fast aufgelöst. Es ist normal geworden, dass Flüchtlinge hier sind. Da und dort gibt es Probleme, im Großen und Ganzen läuft es gut, viele haben sich integriert und Arbeit gefunden. Ich wünsche mir, dass wir das Thema nüchtern betrachten, ohne große Emotionen dahinter.

Wie läuft der Rückbau der Quartiere?

Wir schließen viele Quariere. Es ist paradox: Zuerst gab es Aufregung um neue Quartiere. Nach der Eröffnung kamen die Menschen zusammen. Und jetzt haben wir Probleme, wenn wir Quartiere schließen. Wir werden gefragt, ob wir ein Quartier nicht bestehen lassen, weil es für das Dorf wichtig sei.

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Wie lange dauern Asylverfahren im Moment?

Das ist ganz unterschiedlich. Es gab Zeiten, da haben syrische Staatsbürger innerhalb weniger Wochen einen positiven Bescheid bekommen. Mittlerweile dauert es wieder länger. Wir haben auch Flüchtlinge, die sich schon seit zwölf Jahren im Verfahren befinden. Und dann haben wir rund 100 Personen mit einem rechtskräftig negativen Bescheid.

Werden alle abgeschoben?

Das ist gar nicht einfach, die Behörden müssen zuerst Heimreisezertifikate besorgen. Wir informieren unsere Klienten, weisen sie auf die Rückkehrberatung und die freiwillige Ausreise hin. Fruchtet alles nicht, kommt die Polizei. Diese Aufgabe lieben die Polizisten gar nicht. Aber sie machen es ruhig und besonnen, der Umgang ist korrekt. Es gibt aber mehr Abschiebeversuche als Abschiebungen, weil unsere Klienten dann nicht im Quartier sind. Und manche tauchen unter. Vielleicht versuchen sie es dann in einem anderen Land.

Wie viele sind das?

Es gibt bei uns vielleicht zwei bis drei Abschiebungen pro Monat. Die Zahl der Personen, die untertauchen, ist etwas höher.

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Was geschieht mit denen, die nicht abgeschoben werden können?

Wenn man sie auf die Straße setzt, wäre niemandem geholfen. Das erkennt auch die Landesregierung. Sie bleiben bei uns in der Grundversorgung und werden versorgt. Ihre Situation ist äußerst schwierig. Welche Perspektive haben diese Menschen? Sie dürfen nicht arbeiten, nicht bleiben, können aber auch nicht weg. Aber sie landen wenigstens nicht auf der Straße.

Wie geht es bei einem positiven Bescheid weiter?

Die weit höhere Zahl an Menschen, die unsere Quartiere verlassen, sind die mit Bleiberecht. Dann beginnt die Wohnungs- und Arbeitssuche. Wenn sie noch in den Quartieren bleiben, müssen wir mit ihnen einen Mietvertrag abschließen. Da sehen wir, dass viele sehr schnell eine Arbeit finden und die Miete selbst bezahlen. Und zwar fast 60 Prozent der Menschen, die ein Bleiberecht bekommen haben. Allein von den 34 Somaliern haben 31 eine Arbeit. Daran erkennen wir, wie schnell die Arbeitsintegration funktioniert. Das ist höchst erfreulich.

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