Ohne Partei?
„Die Partei hat meinem Leben Sinn und Inhalt gegeben.“ Das sagte Bruno Kreisky bei seiner Abschiedsrede als Kanzler im Parlament 1983. Sein Nachfolger Fred Sinowatz meinte in seiner Parteitagsrede nach der Wahl zum SPÖ-Vorsitzenden gar: „Der Partei verdanke ich alles, ohne Partei bin ich nichts.“ Lang, lang ist’s her. Was würden die längst verstorbenen SPÖ-Granden dazu sagen, dass führende Sozialdemokraten in Vorarlberg zumindest im Wahlkampf nichts mehr von der Partei wissen wollen? Der frühere Landesobmann tritt bei der kommenden Gemeindewahl mit der Liste „Du und ich für Bregenz – Michael Ritsch“ an. Hinweis auf die SPÖ? Fehlanzeige.
„Kreisky und Sinowatz sind auch in unserem Land unvergessen, zumindest bei meiner Generation.“
Auch das übliche Rot ist durch Schwarz-Gelb ersetzt. Ebenso verzichtet in Bludenz Spitzenkandidat Mario Leiter auf jeden Hinweis auf die Partei, bleibt aber immerhin bei der roten Farbe auf den Plakaten. Selbst beim neuen Parteiobmann Martin Staudinger, der in Hard als Bürgermeisterkandidat antritt, bleibt die SPÖ in der Wahlwerbung außen vor. Muss man sich für die SPÖ genieren? Ist das neue Motto, dass man möglichst wenig nach SPÖ riechen darf? Oder ist es einfach unmodern, als Partei zu kandidieren, sodass man lieber als „Bewegung“ auftritt, abgekupfert von großen Vorbildern wie der Liste „En marche“ von Macron in Frankreich? In guter Erinnerung ist noch, wie die parteilose Irmgard Griss bei der Präsidentenwahl die Kandidaten von SPÖ und ÖVP ganz schön alt hat aussehen lassen.
SPÖ auf Platz 4
Angesichts der jüngsten Umfragen erscheint die Distanz zur Partei verständlich. In der aktuellen Umfrage des „Profil“ liegt die SPÖ auf Platz 4, hinter den Grünen und sogar hinter der krisengeschüttelten FPÖ. Die Vorsitzende Rendi-Wagner ist bei den Partei-Granden derart umstritten, dass sie jetzt in einer Mitgliederumfrage ihr Heil sucht. In ihrem Frust spricht sie in den jüngsten Interviews von innerparteilichen Intrigen und gezielt gestreuten falschen Gerüchten. Stichwort „Feind, Todfeind, Parteifreund“. Für Distanz von der Partei spräche auch, dass man soeben konstatieren musste, dass auch die SPÖ vor Nepotismus nicht gefeit ist, siehe den Versuch des burgenländischen Landeshauptmanns, seine Verlobte im eigenen Büro anzustellen. Auffallend ist übrigens, dass Doskozil beim Rückzieher am Samstag bemerkenswert wenig Selbsterkenntnis gezeigt hat. Eben dieser Doskozil hat aber auch vorgeführt, wie man mit einer Liste, die explizit die Partei erwähnt, Wahlen dramatisch gewinnen kann. Er hat zwar die eigene Parteivorsitzende im Wahlkampf nicht ins Land gelassen, aber auch mit klassischen SPÖ-Themen gepunktet, etwa dem Mindestlohn für Landesbedienstete. Dass er bei der Migration eine deutlich härtere Linie verfolgt als die übrige Partei, ist offenbar auch ein Erfolgsrezept, bei dem ihm die Partei nur zögerlich folgt.
Kreisky und Sinowatz sind auch in unserem Land unvergessen, zumindest bei meiner Generation. Gerade anlässlich der aktuellen Reinhold-Luger-Ausstellung im Landesmuseum war mehrfach von den Verdiensten von Sinowatz für die heimische Kulturszene die Rede, etwa für die legendären Randspiele der Siebzigerjahre. Ob die Taktik ihrer plötzlich parteilosen lokalen Nachfolger aufgeht, werden wir am 15. März wissen.
Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landesdirektor, lebt in Feldkirch.
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