Der erste Ball der Bälle

Heutzutage entscheidet vor allem die Geldbörse darüber, wer zu einem Ball gehen kann und wer nicht, früher war es die gesellschaftliche Stellung. Bevor es den Opernball gab, fanden die nobelsten Tanzveranstaltungen naturgemäß am Hof in Wien statt. Der Kaiser gab in der Regel zwei davon: den Hofball und den Ball bei Hofe. Beide genossen trotz des ähnlichen Namens ein sehr unterschiedliches Ansehen. Der Kreis der Gäste war beim Hofball, wo auch der niedere Adel zugelassen war, wesentlich größer. Der Ball bei Hofe war hingegen eine geradezu intime Veranstaltung mit nur etwa 800 Gästen aus dem hoffähigen Hochadel, dem Generalstab und Ministern. Die Hoffähigkeit war ein hohes gesellschaftliches Gut, das durch Abstammung erworben und mit nicht standesgemäßer Heirat verloren werden konnte.
Beim Ball bei Hofe war auch das diplomatische Corps anwesend, mit dessen Spitzen der Kaiser einige Höflichkeitsfloskeln austauschte, wie der italienische Diplomat Carlo Sforza berichtete. Vertrat der Botschafter einen anderen Monarchen, „so fügte er ein paar Worte für diesen hinzu; aber nie für eine ungekrönte Null wie Taft (der US-Präsident, Anm.) oder Poincaré (der französische Staatspräsident, Anm.)“. So manch einer hätte für eine Eintrittskarte wohl gemordet, für andere dürfte der Ball eine eher steife Veranstaltung gewesen sein. Die „Neue Schlesische Zeitung“ vermerkte 1905: „Zum Ball waren über 1100 Einladungen ergangen, doch waren nur etwa 700 Personen erschienen.“ Allerdings interessierte sich schon damals die Presse für das gesellschaftliche Treiben und war entsprechend ungehalten, wenn sie nicht zur Berichterstattung zugelassen wurde. Das „Vorarlberger Volksblatt“ brachte 1896 einen erbosten Bericht ihrer Schwesterzeitung, des „Deutschen Volksblatts“: Der Hofsekretär Viktor Horsetzky von Hornthal habe „die christlichen Blätter“ nicht zu den Hoffesten eingeladen. Der Redakteur, der wohl gerne zum Ball bei Hofe gegangen wäre, bedachte Horsetzky mit antisemitischen Anfeindungen. Dessen Ahnenwiege sei „einst an den Ufern des Jordan gestanden“. Die Redaktion habe sich „auf Grund dieser geringschätzigen Behandlung der christlichen Presse an das Obersthofmeisteramt die Anfrage erlaubt, ob nur den jüdischen Journalen der Zutritt zu den Festen Seiner apostolischen Majestät“ gestattet werde. Tatsächlich wurde das Blatt ins Obersthofmeisteramt zitiert und erhielt dort von Horsetzky selbst die Auskunft, dass nur seit Längerem bestehende Zeitungen eingeladen würden und das Volksblatt nicht hoffähig sei. Die Zeitung druckte ihren weinerlichen Artikel anschließend unter der – man kann es sich heute kaum mehr vorstellen – entrüsteten Überschrift: „Antisemiten sind nicht hoffähig“.
Moritz Moser stammt aus Feldkirch, lebt und arbeitet als Journalist in Wien. Twitter: @moser_at