Wie Kinder Lust aufs Lesen bekommen

Für Expertin Stefanie Geffers ist Leserziehung eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
Feldkirch Stefanie Geffers ist über ihre Tätigkeit als Lehrerin in Grund-, Mittel- und Realschulen in Hamburg zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Lesen gekommen. Ihr Credo: Lesen muss den Kindern spannend präsentiert werden, die Eltern spielen dabei eine Schlüsselrolle.
Ist es nicht schade, dass es Initiativen wie die Ihre braucht, um heutzutage Kinder zu Lesern zu machen?
Es ist einfach eine Notwendigkeit. Wir brauchen da keine persönlichen Befindlichkeiten mit reinzunehmen. Es ist wichtig, dass wir diese Kernkompetenz ins Bewusstsein rufen.
Wie kam es, dass Sie sich wissenschaftlich mit dem Thema Lesen zu beschäftigen begannen?
Haben Sie drei Tage Zeit? Also kurzgefasst: Es ist mir ein Anliegen, dass wir ganze Familien schriftsprachlich fortbilden und in der Schriftsprache fit machen. Ich habe die Sinnhaftigkeit von Leseprogrammen für mich entdeckt. Ich bekam dann Lust, mich damit weiter zu beschäftigen. Zuerst in der Rolle der Fortzubildenden, und als ich dann eigene Ideen entwickelte, wurde ich schließlich gefragt, ob ich nicht selber Fortbildnerin werden wolle.
Wie kann man Kindern das Lesen nahebringen?
Indem man alles komplett auf Niederschwelligkeit anlegt. Wir versuchen, möglichst wenig Sprachkenntnisse vorauszusetzen, vor allem in der deutschen Sprache. Wir bieten mehrsprachige Literatur an, Bücher in verschiedenen Sprachen. Wir verwenden Bücher, die nicht nur sprachlastig sind, sondern sich auch aufgrund der Bilder erzählen. Vieles läuft auch über Mimik, Gestik, Stimmlage und Betonung. Wir versuchen einen Mix von alten, traditionellen und neuen Büchern anzubieten. Man darf nicht alle Klassiker verteufeln. Es gibt davon wertvolle, genauso wie es bei der neuen Literatur nicht nur geeignete gibt.
Wie kann man Kinder von Computern und von Fernsehgeräten wegbringen?
Das wollen wir gar nicht und wir würden es auch nicht schaffen. Wir wollen ihnen zeigen, dass es daneben noch etwas anderes geben kann, muss und soll. Das eine darf das andere nicht ausschließen. Je mehr sich Eltern gemeinsam mit den Kindern beschäftigen, Lesevorbilder und Leseanreger sind, desto besser.
Wer hat mehr Verantwortung für den Leseerfolg von Kindern: die Eltern oder die Schule?
Unser Programm geht davon aus, dass wir partnerschaftlich mit den Eltern an die Sache herangehen. Insofern würde ich nicht sagen, wer da mehr oder weniger Verantwortung trägt. Wir sind gemeinsam dafür zuständig: Experten, Lehrer, Eltern.
Es findet eine sprachliche Verarmung statt. Teilen Sie diesen Eindruck?
Ich weiß nicht, ob man sagen kann: Sprache wird weniger. Man kann definitiv sagen: Sprache verändert sich. Es tauchen ja auch immer neue Begriffe auf, die uns Erwachsenen ein Rätsel sind. Da sind dann wir und die Lernenden gefordert. Grundsätzlich gilt: Je mehr man sprachhandlerisch tut, Eltern, Lehrer und Kinder, desto mehr schafft man es, die klassische Bildungssprache und einen Grundwortschatz zu etablieren.
Gibt es ein Altersspektrum, in dem Kinder für Sprachentwicklung am besten erreichbar sind?
Es kommt auf die persönliche Sozialisation an. Unser Programm richtet sich an Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren. Je älter Kinder werden, desto schwieriger ist es, die Eltern mitzunehmen. Je jünger die Kinder sind, desto mehr sind sie für ihre Eltern zu erreichen. Aber das gelingt auch noch im höheren Alter, wenn man sie mit passenden Medien konfrontiert. Wie auch immer: Kinder nehmen eine Schlüsselrolle ein.
Müssten Sie sich mit Veranstaltungen wie dieser nicht eher an die Eltern richten?
Wir würden Eltern aus bildungsfernen Schichten damit nicht erreichen. Die würden nicht an eine pädagogische Hochschule kommen. Wir müssen uns an ihre Vertrauenspersonen wenden. Das sind die Lehrpersonen. Sie sind die Multiplikatoren und bringen unsere Ideen in die Welt.