Offener Rücken schon im Mutterleib operiert

Vorarlberg / 28.03.2020 • 10:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Offener Rücken schon im Mutterleib operiert
Julia und Julian Hinteregger genießen jeden Tag mit ihrer süßen Tochter. VN/PAULITSCH

Dank eines speziellen Eingriffs wird sich die kleine Ida gut entwickeln.

Hohenems Augen dunkel wie Mahagoni mustern aufmerksam und ernst die Umgebung. Ab und an huscht aber doch ein feines Lächeln über das pausbackige Gesichtchen. Ida ist fünf Monate alt und der ganze Stolz ihrer Eltern Julia (30 und Julian (31) Hinteregger. Vor allem aber sind sie dankbar, dass ihre Tochter weitgehend gesund geboren wurde, weil nicht selbstverständlich. In der 21. Schwangerschaftswoche wurde während eines Ultraschalls ein Defekt am Rücken des Fötus festgestellt. Diagnose: Spina bifida, offener Rücken. Die Eltern bekamen vom Arzt drei Möglichkeiten unterbreitet: Operation erst nach der Geburt, Abtreibung oder ein Eingriff noch im Mutterleib. Sie entschieden sich für Letzteres. Die heikle Operation erfolgte am Kinderspital in Zürich. Julia und Julian Hinteregger wollen ihre Geschichte erzählen, um werdenden Eltern, die in der gleichen Situation sind, Mut zu machen. „Sie sollen wissen, dass es Hilfe gibt.“

Strenge Kriterien

Bis zu jener entscheidenden Untersuchung deutete nichts auf Unregelmäßigkeiten beim Ungeborenen hin. „Die Schwangerschaft verlief ganz normal“, erzählt Julia Hinteregger. Als ihre Frauenärztin während eines Ultraschalls von einer dünnen Haut am Rücken des Fötus sprach und empfahl, sich das bei einem Pränataldiagnostiker genauer anschauen zu lassen, zögerte die werdende Mutter keinen Augenblick. „Wir brauchten Gewissheit.“ Trotzdem blieb das flaue Gefühl, dass etwas mit ihrem Kind nicht stimmt, und das bestätigte sich dann auch. Doch die Eltern ließen sich von der Diagnose nicht entmutigen, erst recht nicht, nachdem sie von der Möglichkeit einer Operation im Mutterleib hörten. „Wir wollten das Beste für Ida.“  Auch der Arzt bestätigte den Eltern, dass sie später nie mehr so viel für ihr Kind tun können.

Schon kurz darauf hatten Julia und Julian Hinteregger ihren ersten Termin in Zürich. Einfach einrücken und operieren spielt sich in solchen Fällen aber nicht. Es gelten strenge Kriterien. So darf der Eingriff kein Risiko für die Mutter sein und muss auch einen Vorteil für das Kind bringen. Nach zahlreichen Untersuchungen und Abklärungen stand fest: Julia ist geeignet. Entsprechend groß war die Freude, als das Ehepaar aus Hohenems die Zulassung zur Operation erhielt.

Erste Vorarlberger Patientin

Als Pionier auf diesem Gebiet gilt Professor Martin Meuli, Direktor der Chirurgie am Kinderspital Zürich. 118 solcher Eingriffe hat er mit seinem Team bislang durchgeführt. Julia Hinteregger war die erste Vorarlberger Patientin. Bei dieser besonderen Operation wird die Gebärmutter aus dem Bauch gehoben, aufgeschnitten und der Fötus so gedreht, dass der offene Rücken sichtbar wird. Die Läsion bei Ida war nicht mehr als daumennagelgroß. Es dauerte etwas 20 Minuten, sie zu schließen. Anschließend wurde das Ungeborene zurück in den Uterus gelegt, danach beides, Uterus und Bauch der Mutter wieder zugenäht. Körperwarmes Salzwasser ersetzt das Fruchtwasser. Insgesamt nimmt die Operation gut zwei Stunden in Anspruch. Was hier so einfach beschrieben ist, erfordert Können, Präzision und Erfahrung.

Gute Prognose für Ida

In den Wochen nach dem Eingriff ging es bei Julia Hinteregger auf und ab. Immer wieder musste sie wegen Frühwehen nach Zürich. Dazu kamen wöchentliche Arztkontrollen. „Zum Schluss habe ich die Tage bis zur Geburt gezählt“, gibt Julia offen zu. 37 Wochen und einen Tag schaffte sie, dann wurde ihre Tochter per Kaiserschnitt auf die Welt geholt: zierliche 46,5 Zentimeter lang und 2810 Gramm leicht, aber wohlauf.  „Ida zeigte von Anfang an einen unglaublichen Lebenswillen“, beschreibt der Vater die erste Begegnung mit seinem Kind. Mittlerweile sind die Strapazen vergessen und großer Dankbarkeit gewichen. Ida entwickelt sich prächtig, auch die Prognosen sind gut. „Wir haben das Richtige getan“, ist das Ehepaar mehr denn je überzeugt.

Julia Hinteregger ist glücklich, dass sich ihr Sonnenschein so gut entwickelt.
Julia Hinteregger ist glücklich, dass sich ihr Sonnenschein so gut entwickelt.