Coronavirus schließt Grenzen, aber keine Herzen

Das Virus hat unüberwindbare Barrieren zwischen Staaten geschaffen. Aber die Liebe steckt weiter massiv an.
Lustenau, Widnau Grüne Grenze, mitten auf dem idyllischen Radweg vom Schmitter Grenzübergang zum Lustenauer Zollamt Richtung Widnau . An einem Ort, wo das Verschwinden einer zwischenstaatlichen Barriere zur uneingeschränkten Nutzung des Pfades für Radler und Spaziergänger noch vor Kurzem von den Bürgermeistern gefeiert wurde. Genau dort steht jetzt ein Gitter, das in der Verlängerung quer durch das Vorland zum Fluss hin mit Sperrbändern die neue alte Grenze markiert. Ein schmaler Korridor liegt zwischen den beiden Bändern. Dahinter stehen auf Schweizer Seite Susanna Rieger (40) mit ihrer Tochter Stella (7) und auf österreichischer Seite Petra Altherr (38) mit ihren beiden Kindern Romy (5) und Greta (3).
Umarmen in der Sperrzone
Kinder wie Mütter sind beste Freundinnen. Und als Stella und Romy es vor lauter Grenze nicht mehr aushalten, springen sie plötzlich in den verbotenen Korridor und umarmen einander. Die Mütter greifen nicht ein. „Es ist doch wirklich absurd“, meint Susanna. „Ich bin Österreicherin, wohne in Widnau und darf nicht mehr in mein Heimatland.“ „Und ich darf nicht mehr mit meinem Lebenspartner, der sich vor der Grenzsperre in Ulm aufhielt, zusammenkommen“, wirft Petra ein.

Die beiden Frauen sind beste Freundinnen. Weil Susanna am 4. April ihren 40. Geburtstag feierte, prosten sie sich nun mit kleinen Prosecco-Flaschen zu. Aus der kleinen Romy bricht’s richtig heraus. „Es ist ganz schlimm, dass ich nicht mehr zu Stella darf“, sagt sie fast weinerlich. „Wir spielen so gerne Elsa miteinander. Das können wir nicht mehr“, erzählt Stella.

Wanda leidet
Wenige Meter entfernt in der Schweiz liegt Ahmed im Gras. Er wartet sehnsüchtig auf seine österreichische Freundin. Immerhin müssen das der Rheinecker Patrick (28) und die in Alberschwende wohnende Ungarin Wanda (24) nicht tun. Die beiden haben einander. Wenn auch auf Distanz von einigen Metern. Patrick brav auf Schweizer Seite, Wanda auf der österreichischen. „Ich finde es furchtbar, dass ich nicht zu ihm darf“, schmachtet Wanda und blickt sehnsüchtig zu ihrem Liebsten.
Patrick versucht das Ganze etwas vernünftiger zu sehen. „Letzten Samstag war es hier voll mit Liebespaaren. Weil einige die körperliche Distanz einfach nicht mehr aushielten und sich näher kamen, tauchte plötzlich die Schweizer Grenzwacht auf und trennte alle. Danach haben sie den Gitterzaun gebaut.“ Er findet das übertrieben. „Man kann doch wirklich einmal ein Auge zudrücken.“
Wie lange geht das?
Die beiden kennen sich jetzt ein Jahr. Sie haben sich online kennen gelernt und sich in Bregenz zum ersten Mal getroffen. Bald wurden sie ein Paar. „Wir sind jetzt ein Jahr zusammen. Und jetzt trennt uns das Schicksal auf diese Art und Weise“, sinniert Patrick.
Das Wetter ist traumhaft, die Natur fängt zu blühen an, der Rhein fließt friedlich vor sich hin: Es ist für Verliebte ein wunderbarer Ort zum Spazieren und zum Kuscheln. Nur sollte man vom gleichen Land kommen. Wer das nicht tut, muss derzeit leiden. Und niemand weiß, wie lange noch.