Weitere Verzögerung bei Zuglieferung erhitzt Gemüter

Vorarlberg / 29.04.2020 • 07:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Weitere Verzögerung bei Zuglieferung erhitzt Gemüter
Sollten seit über einem Jahr im Einsatz sein: die Talent-3-Züge des Herstellers Bombardier haben weiter Verspätung. VN/STIPLOVSEK

Talent-3-Züge noch immer nicht auf Schiene. Gegenseitige Vorwürfe statt Transparenz.

Bregenz Die Stimmung kippt. Lange galt die Zugbeschaffung für den Vorarlberger Personennahverkehr als eine einzige Erfolgsgeschichte. Gut gelaunte, redselige Vertragspartner lobten sich gegenseitig über den Klee. Ein “Znüne” wurde den Arbeitern an den Produktionsstandort von Bombardier geliefert. Manager des Konzerns wiederum trafen sich zu Seminaren im schönen Vorarlberg. Der grüne Mobilitätslandesrat Johannes Rauch (61) wusste die Modernisierung der Flotte im Wahljahr gut zu verkaufen. Mittlerweile ist es ruhig geworden um ein Vorzeigeprojekt, das in Schieflage geriet. Mit den Lieferschwierigkeiten der Talent-3-Züge wurde die Kommunikation auf Sparflamme zurückgefahren. Informationen sind jetzt nur mehr vage und sehr spärlich erhältlich.

Dabei gäbe es für einmal viel zu erzählen. Etwa über neuerliche Verzögerungen im Zulassungsverfahren, die den Einsatz der Züge noch immer verhindern. Über Pönalezahlungen, die der Zughersteller an die ÖBB zu leisten hat, und mittlerweile über vertraglich vereinbarte Abgeltungskürzungen des Bundes an die Bahn.

Verschwiegenheitspflicht

Ein Rückblick lohnt. Am 25. November 2018 waren Vertreter der Landesregierung im Verkehrsministerium in Wien. Dort wurde der Verkehrsdienstevertrag Vorarlberg unterzeichnet, der später als Meilenstein gefeiert werden sollte. Mit ihm ist unter anderem auch der Einsatz der 21 Talent-3-Züge festgeschrieben. Im Vertrag, so Verkehrsministerin Leonore Gewessler (42) in einer jüngsten Anfragebeantwortung an Neos-Mandatar Gerald Loacker (46), ist eine Lieferfrist beschrieben, ab der die ÖBB an die Republik Pönalezahlungen leisten muss. Das war der 31. März 2020. Umgekehrt erhalten die ÖBB bereits seit einem Jahr Zahlungen vom Lieferanten Bombardier, weil nicht wie ursprünglich vereinbart bereits im Frühjahr 2019 Züge schrittweise in Einsatz gebracht wurden. Wie hoch diese Zahlungen sind, bleibt unter Verschluss. Auf VN-Anfrage verwiesen die ÖBB gestern auf eine vertraglich festgehaltene Verschwiegenheitspflicht. “Wir können aber versichern, dass für den Steuerzahler keine Mehrkosten entstehen”, heißt es weiter.

Neos-Nationalratsabgeordneter Gerald Loacker kritisiert die fehlende Transparenz.
Neos-Nationalratsabgeordneter Gerald Loacker kritisiert die fehlende Transparenz.

Die fehlende Transparenz stößt Gerald Loacker auf. Schließlich würden die Züge vom Steuerzahler finanziert, Politiker ließen sich dafür bejubeln, und jetzt gebe es noch nicht einmal Transparenz, was die Pönalezahlungen betrifft. Loacker nimmt auch den Liefertermin ins Visier, der stark nach dem Wahlkalender ausgerichtet war. Das sei unseriös gelaufen, die Bevölkerung wird verschaukelt.

Zwei Züge stehen in Bludenz

Tatsächlich ist es mittlerweile schwer, selbst auf einfachste Fragen eine konkrete Antwort zu bekommen. Wie es weitergeht nach über einem Jahr Warten? Beim Land verweist man auf die Zuständigkeit der ÖBB. Erst auf neuerliche Nachfrage sagt Landesrat Johannes Rauch: „Auf Versprechungen verlasse ich mich nicht mehr. Für mich zählt der Tag, an dem die ersten Züge fahren.“ Ob und wann die Zulassung erteilt werde, liege nicht im Einflussbereich des Landes.

Bei den ÖBB heißt es, man sei als Besteller nicht erfreut über die erneute Verzögerung im Zulassungsverfahren. Bombardier wiederum bleibt dabei, dass der neue Zug „in diesem ersten Halbjahr 2020 in den Passagierbetrieb gehen wird“.

Was das genau bedeutet? Jedenfalls nicht, dass die längst versprochenen 21 Züge den Regelbetrieb aufnehmen werden. Vielmehr startet vorerst nur die Betriebserprobung mit Passagieren an Bord. Dafür hat Bombardier zwei Züge in Bludenz stationiert. Noch fehlen allerdings die Bauartgenehmigung und Betriebsbewilligung. Drei Tage nach Erhalt der Zulassung könne man mit dem Probebetrieb mit Fahrgästen erfolgen, konkretisiert die Bahn am Abend. „Nach zufriedenstellender Erprobung werden wir damit beginnen, die restlichen Züge in Tranchen von Bombardier abzunehmen“, heißt es weiter.

Es herrscht Eiszeit

Offenkundig sind mittlerweile veritable Verstimmungen zwischen den Vertragspartnern. Gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen ÖBB, Bombardier und der Zulassungsstelle würden ihn nicht interessieren. Seine Geduld sei zu Ende.”Das habe ich allen Beteiligten am 15. April in dieser Deutlichkeit mitgeteilt”, so Landesrat Rauch zu den VN. Eine Antwort stehe bis heute aus. Es herrscht Eiszeit. Die Kommunikation scheint mittlerweile nicht nur nach außen eingefroren.

Bei Berlin wurden die Züge für Vorarlberg gefertigt. Das Auftragsvolumen liegt bei rund 140 Millionen Euro. <span class="copyright">VN/Rauch</span>
Bei Berlin wurden die Züge für Vorarlberg gefertigt. Das Auftragsvolumen liegt bei rund 140 Millionen Euro. VN/Rauch

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