„Jetzt stirbst du nicht Roswitha, noch nicht“

Auch alte Menschen können eine Covid-19-Infektion überleben. Das beweist das Beispiel von Roswitha und Augusto Jemora-Dür.
Nüziders/Claro Hinter dem Ehepaar Roswitha und Augusto Jemora-Dür liegen harte Wochen. Beide mussten infolge einer Covid-19-Infektion ums Überleben kämpfen. Am 17. März wurde Augusto (81) krank. Fünf Tage später zeigten sich bei Roswitha (83) die ersten Symptome. „Es hat mit Fieber, leichtem Halsweh und Husten angefangen“, erzählt die gebürtige Vorarlbergerin, die in Nüziders aufwuchs, mit Augusto einen Schweizer heiratete und seit 52 Jahren im Tessin (Claro) lebt.
Das Tessin wurde als erster Kanton von der Coronawelle erfasst und ist besonders stark von der Ausbreitung des Coronavirus betroffen. „Mailand ist nur 100 Kilometer entfernt. 80.000 Pendler aus der Lombardei kommen täglich in unseren Kanton arbeiten, vor allem Bauarbeiter und medizinisches Personal“, zeigt Roswitha auf, warum das Virus im Tessin besonders heftig wütet(e) und der Südkanton mittlerweile mehr als 300 Corona-Tote zu beklagen hat.
Über Wochen litt das Ehepaar an Fieberschüben, Schwitzattacken und starken Gliederschmerzen. Roswitha bangte um das Leben ihres zuckerkranken Mannes. „Es ging ihm sehr schlecht.“ Um sich hatte sie weniger Angst. „Ich bin eine Stehauf-Frau und dachte mir immer: ‚Das überlebe ich schon. Jetzt stirbst du nicht Roswitha, noch nicht.‘“ An den Tagen, an denen es ihr besonders schlecht ging, musste sie seltsamerweise an ein Ereignis aus der Kindheit denken. „Ich bin als Kleinkind in eine Jauchegrube gefallen. Irgendwie habe ich es geschafft, wieder herauszukommen. Das kam mir in den Sinn.“
„Wir haben beide mehrere Kilos abgenommen und sind unglaublich müde und schwach.“
Roswitha Jemora-Dür, Covid-Opfer
Seit ein paar Tagen haben die beiden kein Fieber mehr. „Endlich geht es uns ein bisschen besser“, freut sich Roswitha, dass das Ärgste überstanden ist. Aber die heimtückische Krankheit schwächte die zwei alten Menschen enorm. „Wir haben beide mehrere Kilos abgenommen und sind unglaublich müde und schlapp.“ Ihr Mann müsse sich gleich nach dem Frühstück wieder hinlegen. „Und ich bin so kraftlos, dass ich die Kaffeetasse nur mit beiden Händen halten kann.“ An Spazierengehen sei noch nicht zu denken. „Ich kann nur ein paar Schritte ums Haus gehen. Dann bin ich schon müde.“ Auch Handarbeiten könne sie noch nicht. „Meine Hände zittern.“
„Es ist ein Wunder, dass wir beide überlebt haben“
Über Wochen war das schwerkranke Ehepaar auf sich allein gestellt und im eigenen Haus isoliert. Aufgrund der Ansteckungsgefahr wagte sich niemand zu ihnen, nicht einmal ein Arzt. „Zum Glück ging eine Freundin für uns Lebensmittel einkaufen. Manchmal hat sie auch warmes Essen vor die Tür gebracht. Ich selbst war zu schwach, um zu kochen. Glücklicherweise hatte ich im Tiefkühler noch viel Eingefrorenes. Das konnte ich aufwärmen.“ Beruhigend war für das Paar, dass der Lebensgefährte der Enkelin jeden Tag anrief und sich nach ihrem Befinden erkundigte. „Matthias ist ein guter Arzt.“
Rückblickend ist Roswitha froh, dass sie die Krankheit nicht allein durchstehen musste und Augusto an ihrer Seite war. „Wenn ich allein gewesen wäre, hätte ich ins Spital müssen. Und das wollte ich auf keinen Fall.“ Die 83-Jährige ist zutiefst dankbar, „dass wir beide überlebt haben. Es ist ein Wunder.“
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