Bedürfnis nach Freiheit

Monika Mayer-Pavlidis drückt ihre Gefühle mit Tanzen und Worten aus.
BREGENZ „Nur wenn ich tanze, kann ich mich so frei fühlen.“ Das Zitat stammt von Madonna, es könnte aber genauso gut von Monika Mayer-Pavlidis sein. Denn Tanzen ist auch ihre Leidenschaft, ihr Lebensinhalt. Mit Tanzen lebt die 56-jährige Bregenzerin ihr stark ausgeprägtes Bedürfnis nach Freiheit aus.
Freitag, der 13.
Die Spiegelwände lassen den leeren Sportsaal im ASKÖ-Heim riesig wirken. Hier bringt Monika Mayer-Pavlidis Kleinen und Großen klassisches Ballett und zeitgenössischen Tanz bei. Heute Nachmittag findet kein Unterricht statt. Monika hat einen kleinen Tisch und zwei Stühle aufgestellt. Und schon am Anfang des Gesprächs dreht es sich um die Corona-Krise, von der Monika massiv betroffen ist. „Am Freitag, dem 13. März, musste ich die Ballettschule schließen. Ja, an einem Freitag, dem 13.“, betont sie. Das war drei Tage vor dem Lockdown.
Für die Tanzlehrerin hieß das nicht nur, keinen Unterricht mehr halten zu dürfen, sondern auch enorme finanzielle Einbußen, weil alle geplanten Aufführungen und Projekte, wie Firmenveranstaltungen, Workshops und Tanzwettbewerbe, abgesagt wurden.
Für Monika ist die Corona-Krise auch eine Folge von Ereignissen, die 2019 nicht gut enden und 2020 nicht gut beginnen ließen: „Aufgrund einer schmerzhaften rheumatischen Erkrankung war ich Anfang letzten Jahres gezwungen, mit dem Tanzen aufhören“, erzählt sie. Im Herbst ging es ihr wieder so gut, dass sie den Tanzunterricht fortsetzen konnte. Doch im Jänner schlichen sich die Schmerzen zurück. Kaum erneut gesund, kam Corona. „Und so steht man da und weiß nicht, wie es weitergeht“, sagt Monika stirnrunzelnd. Als Ein-Personen-Unternehmen sei ihr zwar ein bisschen was aus dem Härtefonds zugestanden, und vom Land habe sie als Kulturschaffende Förderung bekommen. Das reicht aber bei Weitem nicht zur Deckung der angefallenen Kosten.
Seit 1. Juni unterrichtet Monika wieder hier in diesem Saal. Coronakonform natürlich. Das heißt, mit höchstens 18 Personen pro Gruppe unter Einhaltung des Zwei-Meter-Abstands. Schwierig sei das schon, sagt sie, „vor allem mit den Kindern. Da stoßen wir oft an Grenzen.“
Monika selbst ist bereits als Vierjährige zum Ballettunterricht gegangen. Die 1963 in Bregenz geborene Tochter ursozialdemokratischer Eltern hat sich nie – wie ihre Eltern – politisch engagiert, sondern sich von klein auf der Tanzkunst verschrieben. Allerdings forderten die Eltern von ihr, einen „soliden Beruf“ zu erlernen. Monika absolvierte das Lehramt Primarstufe und unterrichtete vier Jahre an einer Volksschule. Parallel verfolgte sie weiter ihr Ziel, Profitänzerin und Tanzpädagogin zu werden. Den Lehrberuf gab sie nach Fachausbildungen in Wien und Paris auf. Nach Paris zog sie 1988, um im Zirkus Annie Fratellini als Tänzerin und Bodenakrobatin zu arbeiten. Zudem ließ sie sich in Angers (Westfrankreich) zur diplomierten Tanzpädagogin ausbilden.
„Das Zirkusleben war nicht so meines“, gesteht Monika ein. „Und ich habe Vorarlberg vermisst.“ So kehrte sie 1990 nach Bregenz zurück, gründete die Ballettschule Monika und arbeitet seitdem als Ballettpädagogin und Choreografin mit Tanzschülern ohne und mit Behinderung. Zudem führt sie den Verein Terpsichore, in dem Tanz gemeinsam erlebt und entwickelt wird, und 2008 hat sie mit Menschen unterschiedlicher Kulturen und sozialer Herkunft das integrative Projekt „Power of Dance“ („Kraft des Tanzes“) ins Leben gerufen. Seit 2017 trägt sie den Berufstitel „Professorin“.
Ihren Lebenspartner, den griechischen Schauspieler Carlos Pavlidis hatte Monika im Sommer 1991 auf der Bregenzer Festspielbühne kennengelernt. Sie hielt sich gerade im Land auf, weil sie bei der Seeaufführung – gespielt wurde „Carmen“ – als Tänzerin engagiert war.
Mutausbruch
Geheiratet wurde am 23. August 2002. „Die Hochzeit mit Carlos war der schönste Moment in meinem Leben“, erinnert sich Monika. Den schwierigsten Moment durchlebte sie zwei Jahre später: Carlos starb nach einem geplatzten Hirnaneurysma. Die Zeit tiefer Trauer und Sinnsuche überstand Monika mithilfe des Tanzes, aber auch beim Verfassen von Gedichten. „In meinen Versen verarbeite ich meine Gefühlswelt“, erklärt sie. „Das Schöne an der Lyrik ist, dass man mit Worten Bilder produzieren kann.“ Derzeit entsteht im Großelternhaus in Bregenz, in dem sie und ihr jüngerer Bruder wohnen, ihr erster Gedichtband. Das Buch mit dem Titel „Mutausbruch“ soll noch diesen Sommer erscheinen.
Mit dem Tanzen aufhören will Monika Mayer-Pavlidis noch lange nicht. „Ein Leben ohne Tanzen ist für mich unvorstellbar“, stellt sie klar. „Darum wünsche ich mir, gesund zu bleiben, dass ich meiner Leidenschaft noch lange frönen kann.“
„Die Hochzeit mit Carlos war der schönste Moment in meinem Leben.“