So denken die Liechtensteiner über FL.A.CH

Experte berichtet über die Stimmung vor der Abstimmung über S-Bahn am 30. August.
Vaduz, Bendern Die Fortschrittskurve der S-Bahn Liechtenstein ist in den vergangenen Monaten alles andere als flach. Nachdem sich bei “FL.A.CH”, wie das Bahnprojekt früher genannt wurde, jahrelang nichts getan hat, ging es zuletzt schnell. Im April unterzeichneten Österreich und Liechtenstein eine Vereinbarung, anschließend stimmten die Liechtensteiner Regierung und der Landtag für die Bahnverbindung zwischen Feldkirch über Liechtenstein nach Buchs. Am 30. August steht die nächste und wohl letzte Weichenstellung für die S-Bahn bevor: Die Bevölkerung im Fürstentum stimmt ab. Lehnt sie den Vorschlag ab, ist das Projekt in dieser Form gestorben. Stimmt sie zu, kann der Bau beginnen. Wilfried Marxer vom Liechtenstein Institut in Bendern schätzt die Chancen für ein Ja gut ein. Allerdings habe man bei Abstimmungen schon viele Überraschungen erlebt.
Alle Gemeinden dafür
Die Stimmung sei schwer zu beurteilen, sagt der Forschungsleiter für Politik am Liechtenstein Institut. Allerdings zeigen die Leserbriefseiten in den beiden Tageszeitungen ein Stimmungsbild. “Dort findet eine lebendige Debatte statt. Das Verhältnis zwischen Befürwortern und Gegnern ist ungefähr ausgeglichen, es regt sich auch Widerstand gegen die S-Bahn”, schildert Marxer. Mit der Partei Demokraten pro Liechtenstein (DPL) gibt es auch eine Landtagsfraktion, die gegen die S-Bahn mobilisiert. “Aber nicht nur die meisten Parteien, auch namhafte Leute, Institutionen und Organisationen sowie alle elf Gemeindevorsteher sprechen sich dafür aus”, fährt der Experte fort. Das sei nicht unwichtig, denn viele Gemeinden hätten mit dem Projekt eigentlich gar nichts zu tun.
Industrie, Handelskammer und viele Großbetriebe sind ebenfalls für den Bau. Von 40.000 Berufstätigen in Liechtenstein stammen rund die Hälfte aus der Schweiz und Vorarlberg, erläutert Marxer. “Die verkehrsmäßige Anbindung ist mit dem S-Bahn-Konzept besser zu bewältigen als derzeit mit dem Auto oder dem Bus, hoffen die Befürworter.” In kleinen Inseraten und in Leserbriefen werben ehemalige Politiker und bekannte Personen für die Bahn. “Aber es ist schwierig, die Stimmung der Bevölkerung vorauszusagen, weil die meisten nicht unmittelbar profitieren.”
Drei Argumente
Die Gegner führen drei Argumente an. Marxer zählt auf: “Sie sagen, man werfe einen Haufen Geld für ein Projekt raus, das wenig Nutzen bringt. Außerdem befürchten sie, dass mehr Schienenverkehr auch mehr Lärm verursacht. Zudem wird kritisiert, dass vor allem im Bereich Schaan bei den beschrankten Bahnübergängen der Autoverkehr benachteiligt wird.” Die Höhe der Finanzierung sei nicht das Problem. “Der Staatshaushalt in Liechtenstein ist sehr komfortabel aufgestellt, das Geld wäre vorhanden. Es geht darum, ob es richtig eingesetzt wird.”
Keine Garantie
Reservierter steht die Liechtensteiner Öffentlichkeit einem anderen Verkehrsprojekt gegenüber. Der Stadttunnel in Feldkirch wird zwar nur auf österreichischer Seite gebaut, wirkt sich aber auf Liechtenstein aus. “Da gibt es seit Langem Gruppen, die von der Liechtensteiner Gesellschaft für Umweltschutz unterstützt werden und gegen den Tunnel auftreten”, erzählt Wilfried Marxer. Sie befürchten mehr Verkehr. “Auch in der Politik ist die Haltung dazu ein bisschen reservierter. Aber eine stramme Ablehnung ist nicht zu erkennen.”
Die Front der Befürworter für die S-Bahn ist hingegen groß. Aber Marxer erinnert an die Abstimmung zum Raumplanungsgesetz im Jahr 2002. Der Landtag sprach sich mit nur einer Gegenstimme für das Gesetz aus, doch die Bevölkerung lehnte es mit 74 Prozent eindeutig ab. Er fasst zusammen: “Im Moment kann man eher damit rechnen, dass es ein Ja gibt. Aber es gibt keine Garantie. Sicher weiß man es erst am 30. August.”

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