Schwester Gertrude übernimmt Verantwortung

Vorarlberg / 23.07.2020 • 11:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Schwester Gertrude übernimmt Verantwortung
Mitte April übernahm Schwester Gertrude Müller die Funktion als Oberin der Schwesterngemeinschaft im Feldkircher Antoniushaus. VN/SCHWEIGKOFLER

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Im Antoniushaus hat Gertrude Müller (80) die Leitung der Schwesterngemeinschaft übernommen.

Feldkirch Das Antoniushaus der Barmherzigen Schwestern zum Heiligen Kreuz ist eine Institution in Feldkirch. Im Gebäude befinden sich ein Pflegeheim, ein Kindergarten und auch eine kleine Gruppe an Kreuzschwestern lebt nach wie vor im Haus. Seit dem 16. April haben die Schwestern eine neue Oberin: Gertrude Müller. Die gebürtige Frastanzerin wurde vom Orden in die neue Aufgabe berufen und hat inmitten der strengen Corona-Vorschriften von Hall in Tirol nach Feldkirch gewechselt, um hier die Leitung der Schwesterngemeinschaft zu übernehmen.

Schwester Gertrude ist eine anpackende Frau, das merkt man im Gespräch schnell. Schon mit 16 Jahren ist sie in den Orden eingetreten.  „Es war für mich einfach das Richtige.” Sie hatte im Vorfeld darüber nachgedacht, was sie mit ihrem Leben anfangen wolle. „Da habe ich die Werbeart Gottes erlebt“, schildert sie. Einen Schritt, den die Achzigjährige dann nie bereut hat: „Ich habe ein Leben lang nicht gezweifelt.“

Im Orden suchte man eine Aufgabe für die junge Novizin. Die Wahl fiel auf eine Ausbildung zur Lehrerin. Aber Schwester Gertrude kann nicht gut singen. “Ich dachte, das muss man können”, erzählt sie. So wurde sie zur Hauptschullehrerin ausgebildet. In Physik, Mathematik und Biologie, also in Fächern, die bis heute als “Männerdomäne” gelten. “Bei Fortbildungen war ich über zwanzig Jahre oft die einzige Frau”, erinnert sich Schwester Gertrude. In der Folge kehrte sie aus Hall zurück nach Feldkirch, wo sie an der Hauptschule im Institut St. Josef Lehrerin wurde. Anschließend wurde sie auch Direktorin der Schule, das blieb sie bis zur Pensionierung im Jahr 2000. Als Direktorin ließ sie es sich nicht nehmen, den Religionsunterricht für die Viertklässler zu geben. Über tausend Schülerinnen habe sie in ihrer Karriere gehabt, blickt sie zurück.

Wechsel in die Pflege

Im Anschluss arbeitete sie weiter im Institut mit, half etwa in der Küche aus. Doch die Leitung des Ordens hatte andere Pläne. Sie wurde nach Hall berufen, wo sie bald im Pflegeheim der Kreuzschwestern eingesetzt wurde. “Ich habe mich auf die Pflege eingelassen, das hat mir ein vertieftes Menschenbild verschafft”, erzählt die Kreuzschwester. Bald wurde sie dann auch Oberin im Pflegeheim. “Ich übernehme gerne Verantwortung”, erzählt sie.

Zuletzt gab es im Antoniushaus in Feldkirch einen Umbruch, mehrere Schwestern verstarben, andere wurden krank, darunter auch Oberin Marie Bernard Gröfler, die daraufhin nach Hall wechselte. Zwei Schwestern begleiteten sie. Nun wurde Schwester Gertrude nach Feldkirch geschickt, wo sie die Leitung der kleinen Schwesterngemeinschaft übernommen hat. “Hier wurde ich, trotz Coronakrise, sehr herzlich empfangen.” Der Abschied von der Nordkette sei ihr schwer gefallen, aber “ich habe jetzt ein freundliches Zimmer mit Blick auf zwei Berge: die mir aus Kinderjahren so gut bekannte Gurtisspitze und der Hohe Fraßen”. Die Aufgabe im Antoniushaus dreht sich vor allem um die Gestaltung des spirituellen Umfeldes. Die Schwestern arbeiten nicht mehr selber in der Pflege. “In der Nähe des Sterbens fragen aber viele Heimbewohner nach uns”, betont sie die Wichtigkeit der Begleitung des Pflegeheims durch die Schwesterngemeinschaft.

Dass die Gemeinschaft der Kreuzschwestern schrumpft, bedauert Gertrude Müller natürlich. Aber sie ist “ehrlich überzeugt, dass es zu einer Rückbesinnung kommen wird”. Sie malt die Welt nicht schwarz. Viele Menschen würden sehr authentisch Glaubensinhalte leben, auch ohne dass sie die Kirche besuchen. Authentisch leben, das ist ihr wichtiger als reine Formalitäten. Das macht auch Schwester Gertrude, das wird in der persönlichen Begegnung spürbar.

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