„Viele Betreuerinnen sind geblieben“

Manche Befürchtungen sind nicht eingetreten, erläutert Wiesflecker.
Bregenz Heute, Freitag, übernimmt Vorarlbergs Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker den Vorsitz der österreichischen Sozialreferentenkonferenz. Im VN-Interview spricht sie über ihre Prioritäten, 24-Stunden-Betreuung und das Pflegebudget 2021.
Welche Themen werden im Vordergrund stehen?
Ich gehe von drei Schwerpunkten aus: Die Krisenfestigkeit im Bereich Corona, die Ausführung des neuen Sozialhilfegesetzes, und ich möchte einen Pflegeschwerpunkt setzen. Da möchte ich den Fokus auf den ambulanten Bereich, auf das Personal und die Finanzierung richten.
Die Bundesregierung hat Vorarlberg 4,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ist schon alles verbraucht?
Das war ein Zweckzuschuss, weil im März befürchtet wurde, dass uns die 24-Stunden-Betreuung einbrechen wird. Das Geld war für Ersatzquartiere gedacht für Menschen, die keine Betreuung mehr haben. Die haben wir aber nicht gebraucht.

Wurde das Geld verwendet?
Wir haben ungefähr die Hälfte verbraucht, vor allem für den Bonus von 500 Euro, den Betreuerinnen bekommen, wenn sie mindestens vier Wochen verlängern. Auch für Coronatests haben wir das Geld benötigt. Nun sind wir in Absprachen mit dem Bund, weil wir den Rest schon bräuchten, aber nicht für das, wofür es ursprünglich geplant war. Eventuell müssen wir etwas zurückzahlen.
Warum hat man die Quartiere nicht gebraucht?
Weil viele Betreuerinnen geblieben sind. Zuerst dachten wir, es liegt am Bonus. Dann dachten wir, es liegt an den strengen Quarantänebestimmungen bei der Rückkehr nach Rumänien. Aber in Wirklichkeit liegt es daran, dass es sich um einen Großteil des Familieneinkommens handelt und sie gerade in der Krise das Geld für die Existenzsicherung benötigen. Das ist wiederum ein Problem für die, die sie ablösen müssten.
Elf von 19 Todesopfern mit Corona waren in Pflegeheimen. Was haben Sie aus der ersten Welle gelernt?
Wir bereiten uns gerade auf den Herbst vor. Die Schutzausrüstung war zum Beispiel eine Schwierigkeit, da sind wir nun völlig anders aufgestellt. Außerdem bekommt jedes Heim einen eigenen Krisenplan. Eine mögliche zweite Welle wird clusterbezogen kommen, auf eine Region oder ein Heim bezogen. Wir gehen nicht davon aus, dass wir noch einmal ein Besuchsverbot für alle Heime aussprechen müssen. Außer, die Infektionszahlen schnellen so hoch, dass keine Cluster mehr ausgemacht werden können.

Wie soll die Finanzierungsfrage insgesamt geklärt werden? Sind Vermögenssteuern noch ein Thema?
Ja. Das ist koalitionär ein schwieriges Thema, aber wenn es andere gute Vorschläge gibt, bin ich sicher bereit, darüber zu diskutieren. Wir haben in der Pflege nicht nur ein Ausgabenproblem, sondern auch ein Einnahmenproblem. Auch, weil man bei der Abschaffung des Vermögenszugriffs, also des Regresses, nicht über eine Gegenfinanzierung gesprochen hat. Das war ein Fehler.
Wie sieht die Situation 2021 aus?
Uns brechen bis zu 30 Prozent der Einnahmen weg. Im Sozialfonds unterscheiden wir zwischen Pflichtausgaben und Ermessensausgaben. Pflichtausgaben sind die Mindestsicherung oder Pflegeeinrichtungen. Da kann ich nichts sparen. Zwei Drittel der Sozialausgaben sind solche Pflichtausgaben. Bei den Pflichtausgaben schätzen wir eine Steigerung von 20 Prozent. Bei Ermessensausgaben diskutieren wir nun die Prioritäten.
Das Interview führten Marlies Mohr & Michael Prock
