Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Beraubte Jugend

Vorarlberg / 15.08.2020 • 07:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Von Bildungsminister Heinz Faßmann war schon länger nichts mehr zu hören. Dass Christine Aschbacher nicht nur Arbeits-, sondern auch Jugendministerin ist, fällt überhaupt in die Kategorie „Insiderwissen“. Beides ist bemerkenswert: Jugendliche zählen zu den großen Opfern der Coronakrise. UN-Generalsekretär António Guterres formuliert es drastisch: „Jetzt stehen wir vor einer Katastrophe für eine ganze Generation, durch die unermessliches menschliches Potenzial verschwendet, jahrzehntelanger Fortschritt untergraben und tief verwurzelte Ungleichheit verschärft werden könnten.“

„Jung sein heißt aber auch leben, reisen und feiern. Dinge eben, die gerade verpönt sind oder gar unterbunden werden.“

Der 71-jährige Portugiese bezieht sich auf die Schulschließungen, die es auch in Österreich gegeben hat: Hierzulande ist das Schicksal eines Kindes besonders stark abhängig von den Verhältnissen im Elternhaus. Lehrer konnten in den vergangenen Monaten noch weniger dagegenwirken, Buben und Mädchen aus bildungsfernen Schichten sind durch das „Homeschooling“ noch weiter zurückgefallen.

Umfassende Krise

Die Krise ist jedoch umfassender: Zahlreiche Studien belegen, dass eine Rezession bei Jungen nachhaltige Spuren hinterlässt. Grund: In harten Zeiten ist es schwieriger, ins Berufsleben einzusteigen. Man muss eher nehmen, was da ist. „Karrieren“ beginnen weiter unten und damit auch schlechter bezahlt. Es braucht Jahre, das wettzumachen.

Jung sein heißt aber auch leben, reisen, feiern und Grenzen überschreiten. Dinge eben, die gerade verpönt sind oder gar unterbunden werden. „Party machen“ geht gar nicht. „Abstand halten“ ist angesagt. Auch an den Schulen: In Österreich lässt man sich mit einem Plan für den Herbst noch Zeit. In Deutschland ist man schon weiter: In Nordrhein-Westfalen herrscht ab der fünften Klasse Maskenpflicht im Unterricht. In Bayern müssen alle Schüler ab September eine Maske tragen, bis sie am Platz sitzen. Unterhaltungen in der Pause werden folglich nur eingeschränkt möglich sein. Abgesehen davon bleiben mehrtägige Klassenfahrten im Freistaat bis Ende Jänner verboten. Keine Schiwoche, nichts dergleichen ist unter diesen Umständen erlaubt.

Rauf auf die Agenda

Was ist die Alternative? Corona macht unerträgliche Beschränkungen nötig. Junge revoltieren auf ihre Weise: „Ballermann“ gibt es nicht nur am Bodensee, sondern auch in Wien und an vielen anderen Orten. Lärmbelästigungen, leere Flaschen und sonstiger Müll zeugen davon.

Das muss man nicht gutheißen, aber verstehen und darauf eingehen. Womit wir wieder bei der Politik angelangt wären: Sie steht – wie die gesamte Gesellschaft – mehr denn je in der Verantwortung, Jungen zumindest Gehör zu schenken, sie ernst zu nehmen und gemeinsam Lösungen zu suchen. Das gehört ganz rauf auf die Agenda. Es geht um die Zukunft einer Generation.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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